Je mehr gekickt wird, umso besser?

Bei buntkicktgut wird Fußball zur Lebensschule für Jugendliche aller Nationen.

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von Susanna Eder, January 3, 2017
maedchen-fussbal

ursprünglich erschienen: 25.10.2016

Bei buntkicktgut läuft einiges anders als in der Bundesliga. Und das soll auch so bleiben.

Wer lediglich gut Fußball spielt, hat bei buntkicktgut noch lange nicht gewonnen. Pünktlich am Platz zu sein und bei Verspätung abzusagen gibt Extrapunkte in der Organisationswertung. Die besten Gastgeber können genauso auf dem Siegertreppchen stehen wie das Team mit dem kreativsten Namen. Oder auch das fairste Team – „wir haben die längste Siegerehrung der Welt“, sagt Julian.
Bei buntkicktgut lernen Jugendliche selbstorganisiert und verantwortlich zu handeln. „Für viele Kinder ist es das erste Mal. Darum bleiben sie auch.“
Die Kontinuität der Fußballliga sei dabei besonders wichtig. „Es soll jede Woche Training geben. Das ganze Jahr über“, sagt Julian. So entstehe ein „familiäres Umfeld“. 

Für viele Jugendliche sei buntkicktgut ein großer Halt. Hier haben sie das Zepter in der Hand, nicht die Erwachsenen. Sie sind Schiedsrichter und Trainer. Sie bauen die Teams auf und finden andere Jugendliche, die mitspielen wollen. Wenn es zur Schlägerei auf dem Platz kommt, klärt der Liga-Rat, welche Strafe folgt. Der besteht, natürlich, aus Jugendlichen. Die dadurch lernen auch im realen Leben mit Konflikten umzugehen.

buntkicktgut

Ob durch den ständigen Wettbewerb Konkurrenzdenken und Mobbing erst gefördert wird? „Bei uns geht es nicht nur um das Gewinnen“, sagt Julian, „jeder kann sich einbringen.“ Wer kein Fußball mag, wird eben Fotograf oder Redakteur für den buntkicker. Außerdem könnten alle Teams bis zum Ende an Turnieren teilnehmen, erklärt Julian. „Keiner wird wegen einer schlechten Spielleistung ausgegrenzt.“ 

Als Rüdiger Heid das soziale Projekt buntkicktgut vor zwanzig Jahren ins Leben rief war kein Accelerator-Programm für Startups im Spiel. Und trotzdem wurde die interkulturelle Straßenfußballliga immer größer und ist mittlerweile beispielhaft für ganz Europa.

Das Konzept funktionierte einfach. Fußball als Medium, um Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber in München zu integrieren. Und die Teilnehmer selbst gestalten das Konzept buntkicktgut von Anfang an mit. Eine Idee, die schon 1997 ein Erfolg war. Und eine Thematik, die auch im Jahr 2016 nicht weniger relevant ist. Bunt kickt eben gut. Und je mehr gekickt wird, umso besser?

„Start small, scale fast“ heißt es – ganz so war das bei buntkicktgut zwar nicht. Doch welche Organisation kann schon zwei Jahrzehnte „proof of concept“ vorweisen? Also doch skalieren. Buntkicktgut soll zum Social Franchise werden. Mit Standorten in ganz Europa, damit geglückte Integration nicht nur in Deutschland möglich wird. Doch was sind die Gefahren bei einem solchen Wachstum? Kann die Vision auf der Strecke bleiben, wenn buntkicktgut zur Marke wird?

„Es muss klare Qualitätsstandards geben“, sagt Geschäftsführer Julian Buning, „damit genau das nicht passiert.“ Sicher sei das eine Herausforderung, wenn es in zwei Jahren zwanzig neue Standorte gäbe. Zusammen mit der Social Entrepreneurship Akademie wurde daher ein Handbuch entwickelt, das in sechs Etappen unterteilt sei, „bis zur Nachfolge.“ „Wobei wir versuchen werden alle Standorte möglichst nah bei uns zu halten“, sagt Julian. Die Prägung der Marke sei wichtig, „damit sie nicht verwässert. Es kann sich nicht jeder buntkicktgut nennen.“ Darauf achte auch Hauptgesellschafter Heid, der die Teilnehmer zu Gesellschaftern machen wolle.

Stattdessen brauche es Ideenträger, die intrinsisch motiviert sind. Wer das Konzept in seiner Stadt etablieren wolle, müsse erst längere Zeit mit der Organisation verbunden sein. „Das Gleichgewicht von Individualisierung und Standardisierung muss an jedem Standort gegeben sein“, sagt Julian. „Bestimmte Charakteristika sind unverzichtbar.“  

Dass das Konzept besonders ist, sehen auch Unternehmen wie Adidas oder PlayStation nicht anders. Mittlerweile führt buntkicktgut für die ganz Großen deutschlandweit Fußballturniere durch. Selbstverständlich mit fair play Wertung und jugendlichen Schiedsrichtern. „Durch die Social Entrepreneurship Akademie kam die Idee, dass man als soziales Projekt auch Geschäftsbereiche entwickeln kann“, sagt Julian. So zum Beispiel den Junior Champions-Cup von PlayStation, als eine der Einnahmequellen für buntkicktgut. Die Finanzen im Blick haben muss man eben auch fernab der Bundesliga. 

buntkicktgut

Buntkicktgut zeigt heute wie vor zwanzig Jahren: Fußball kann als Tor zur Welt dienen.

Ereignisse wie der Amoklauf in einem Münchner Einkaufszentrum würden ihn nur noch mehr motivieren, sagt Julian. „Wir konnten bisher 40 000 Jugendliche erreichen, die durch buntkicktgut nicht isoliert in der Gesellschaft leben. Die sich gegenseitig ein Kontrollgremium sind. Und wo man lernt auf den anderen aufzupassen“, sagt Julian. „Ich denke, dass wir damit eine Veränderung bewirken können.“ Als Social Franchise könne buntkicktgut in Zukunft nur noch mehr bewegen.

Denn eins ist in diesem Fall klar: je mehr gekickt wird, umso besser. 

Drei Fragen an Anne Dörner, die für die Gründungsförderung der Social Entrepreneurship Akademie verantwortlich ist. 

Seit wann kennen sich buntkicktgut und die Social Entrepreneurship Akademie?

„Wir haben buntkickgut 2011 über die HypoVereinsbank und ihr Engagement „Fußball integriert“  kennengelernt. Damals überlegte die CSR-Abteilung, wie man das Erfolgsmodell buntkicktgut weiter verbreiten kann. In mehreren Gesprächsrunden entwickelte sich dann die Idee, den Verein auf seinem Weg zum Social Franchise zu begleiten.“

Was war das Besondere an der Beratung von buntkicktgut?

„Um ein Social Franchise aufzubauen braucht es ein skalierbares Angebot, professionelle Strukturen und vor allem Prozesse, die die Steuerung und Qualitätssicherung an anderen Standorten ermöglichen. Davon war bei buntkicktgut schon eine Menge vorhanden. Die große Herausforderung lag jedoch darin, dass die einzelnen Standorte sehr unterschiedlich waren, was sich jedoch erst mit der Zeit herausstellte.
Es war also eine echte „Learning Journey“ – für alle Beteiligten. Nichts war gleich oder konnte mit kleinen Anpassungen für den nächsten Standort übernommen werden.
Doch am Ende haben wir einen Lösungsansatz gefunden, der gleichzeitig eine gemeinsame Basis und lokale Anpassungen erlaubt."

Wie kann ich Kontakt zu buntkicktgut aufnehmen?

„Über ihre Webseite oder auf Facebook.“