Refugee Canteen: frischer Wind in der Gastronomie-Branche

Gastrolotsen schaffen Bildungsangebote neben der klassischen Ausbildung und beleben dadurch das Gastgewerbe.

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von Anastasia Sauer, May 9, 2018
Benjamin von Gastrolotsen/Refugee Canteen

Glauben. Lieben. Machen. Das ist die Philosophie von Gastrolotsen, die mit dem Projekt Refugee Canteen Menschen die Möglichkeit bieten, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Genauer gesagt in der Gastronomie, die unter Fachkräftemangel und unbesetzten Ausbildungsplätzen leidet. Wir haben Benjamin, den Gründer, interviewt und er erzählt uns, warum es für die Gastro und auch für die Geflüchteten wichtig ist, auch einmal neue Wege zu gehen.

Gastro, Bildung, Refugee Canteen. Ihr macht ja eine Menge. Was steckt denn nun genau hinter „Gastrolotsen“?

Das Gastgewerbe. Wunderbar, trotz allem. Guter Gastgeber zu sein, ist der schönste Beruf der Welt. Auch wenn das mit dem Tellerwäscher-Millionär-Ding nicht mehr so stimmt. 
Wir kommen aus der gehobenen Gastronomie, Systemgastronomie, Catering,  aus Personal- und Organisationsentwicklung, aus renommierten Kommunikationsagenturen und aus sozialen Projekten. Und haben unabhängig voneinander große und kleine Unternehmen, Marken und Projekte betreut. Heute packen wir all unsere Erfahrungen zusammen, um Unternehmen im Gastgewerbe eine wirtschaftliche Zukunftssicherung zu ermöglichen.

Wie kamst du auf diese Idee?

Kulinarisch ist seit 30 Jahren alles dabei. Von afghanischer bis zur thailändischen Küche, von Besteck über Stäbchen oder einfach nur von der Hand in den Mund – das Essen ist mein größter Verbündeter und öffnet Türen zu Menschen und Kulturen.

Die Branche sucht nach neuen Lösungen und die Menschen, die Zuflucht gesucht haben, brauchten eine Perspektive. Beides habe ich mit einander verbunden. Unsere Branche war schon immer ein Zuhause für alle Menschen und sie hat mir auch vor 13 Jahren den Weg gezeigt. Somit war die Idee relativ leicht geboren.

Wie genau funktioniert die Wissensvermittlung bei euch? Und an wen genau richtet sich euer Angebot? Ihr bietet ja sicherlich nicht einfach nur die „klassische Art der Ausbildung“ an.

Genau, eine klassische duale Ausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes stellen wir nicht. Das ist auch nicht nötig. Viele der Ausbildungsplätze in unserer Branche sind ohnehin nicht besetzt. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen, die sich für die Hotellerie und Gastronomie interessieren mit den Betrieben zusammenzubringen. Mit dem Projekt Refugee Canteen bieten wir Menschen die Möglichkeit, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Aufenthaltsstatus.

Wir starten das Programm zunächst mit einer Qualifizierungsphase. In dieser Zeit wird den Menschen in einem geschützten Raum spielerisch die nötige Grundlage für einen Einstieg in die Branche gegeben. Und hierbei geht es nicht darum zu lernen wie das perfekte Steak gebraten wird oder ein 7- Gang- Menü eingedeckt wird.

Es geht um Basics:

  • Wie wasche ich mir korrekt die Hände?
  • Was zeichnet einen guten Gastgeber aus?
  • Was erwartet ein Arbeitgeber von mir, wie habe ich mich richtig krank zumelden?

Anschließend begleiten wir die Menschen in ein betriebliches Praktikum. Hier können sie sich beweisen. Einzigartig hierbei ist, dass wir mit allen Betrieben Kooperationen schließen. In diesen Kooperationen setzen wir Standards, dass diese Betriebe Praktikanten von uns aufnehmen dürfen. Dazu gehört dann zum Beispiel, dass Arbeitskleidung gestellt wird. Aber vor allem gehört dazu, dass den Teilnehmern eine Festanstellung oder Ausbildung bei erfolgreichem Praktikum in Aussicht gestellt wird.

Wie viele Menschen bereitet ihr aktuell auf eine Ausbildung vor bzw. begleitet sie auf dem Weg zu einem Job?

Momentan befinden wir uns in einer Kreativpause. Diese genehmigen wir uns von Zeit zu Zeit, um vergangene Projekte auszuwerten und diese zu optimieren.

Wir planen gerade verschiedene Modelle, in denen gleichzeitig maximal 160 Menschen begleitet werden können.

Welche Betreuung bekommt man/frau denn bei euch?

Unser großes Thema zurzeit ist Absolventenmanagement/ Mentoring. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass viele der Herausforderungen erst mit Aufnahme der Arbeit oder Ausbildung beginnen.

Um Ausbildungsabbrüche und Kündigungen zu minimieren ergänzen wir unser Programm also um eine Mentoringkomponente und zeigen den Menschen auch nach der Qualifizierung und dem Praktikum:

„Hey, wir sind für dich da. Wo drückt der Schuh?“

Dabei sind die Themen vielfältig. Wir unterstützen die Teilnehmer über eine Verweisberatung zum Beispiel bei (drohender) Wohnungsnot, dem Bürokratiewahnsinn, psychologischen Schwierigkeiten oder Konflikten mit dem Arbeitgeber.

Dein Ziel ist es auch die Gastronomie Branche nachhaltiger zu gestalten, richtig? Was würdest du am ehesten ändern wollen, wenn du es dir einfach so wünschen könntest?

Wir, und damit rechne ich alle Akteure der Branche hinzu, müssen aufhören nur für uns zu denken. Silodenken hat noch nie funktioniert und Insellösungen sind keine Lösungen. Nur durch einen engen Austausch und eine gesunde Kommunikation aller Beteiligten kann die Branche nachhaltig funktionieren.

Und hierfür ist es wichtig, auch einmal neue und zunächst unbequeme Wege zu gehen. Die Aussage „das ist halt Gastro, das war schon immer so“ können wir nicht mehr hören.

Wie soll es weitergehen? Was sind deine Ziele und Wünsche für „Gastrolotsen“ in 2018?

Ich wünsche mir, dass durch unsere Arbeit mehr Menschen und Unternehmen durch gesunde Arbeit gesund leben können, dass Integration einfacher wird und Chancen mehr genutzt werden und dass wir alle mehr Vielfalt leben.