Warum eine klare Vision wichtig ist, um weiterzumachen

Claudi Sult von GreenMe Berlin hat viele Ideen um zu zeigen, dass „Going Green“ Spaß macht. Was sie neben dem fokussiert bleiben und auch mal Hilfe anzunehmen noch gelernt hat, erzählt sie uns im Interview.

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von Maria Anschiz, November 29, 2018

FOTOS: DINKO VERZI

Gemeinwohlfördernd, aber nicht Non-Profit. Gewerblich, aber nicht gewinnorientiert. Wachstum, aber bitte nachhaltiges Wachstum! Sozialunternehmen haben es in Sachen Definition oftmals nicht leicht. Und obwohl sie alle das Ziel haben gesellschaftliche Probleme anzugehen, bekommen sie oftmals bürokratische, persönliche oder politsche Stolpersteine in den Weg gelegt.

„Social Entrepreneurship eine Stimme geben“ ist eine vierteilige Interviewreihe, in der Mitglieder des Social Entrepreneurship Netzwerks Deutschland, kurz SEND, ihr Social Business vorstellen und über ihre Erfahrungen, Herausforderungen und Wünsche als Social Entrepreneurs erzählen. SEND vernetzt Akteur*innen aus dem SocEnt Sektor und setzt sich dafür ein, die politischen Rahmenbedingungen für Social Enterprises in Deutschland zu verbessern.

Im dritten Teil der Interviewreihe stellen wir Claudi Sult vor. Sie ist Gründerin von GreenMe Berlin. Das Social Business bietet Walkingtouren an, die die "grünen" Seiten von Berliner Kiezen aufzeigen.

Erzähl uns von Deinem Social Enterprise.

2016 habe ich einen “Green City Guide” namens GreenMe Berlin ins Leben gerufen. Das Ganze ist inzwischen zu einer vielfältigen Plattform herangewachsen, durch die wir Reisende & Einheimische zu den coolsten nachhaltigen Orten & Projekten der Stadt führen. Online findet man eine interaktive Map, einen Podcast, einen Eventkalender sowie einige Best-Of Guides. Und Offline zeigen wir seit letztem Jahr mit geführten Kiez- und Startup Touren, welch inspirierende Menschen und Projekte Berlin zu bieten hat. Generell geht es einfach darum, positive Beispiele zu zeigen und zu beweisen, dass “Going Green” Spaß macht - ganz entspannt und äußerst undogmatisch.

Unser Gewinn wird kontinuierlich in die Förderung der lokalen Eco-Szene reinvestiert und einen Teil davon spenden wir an NGOs, die wir lieben, zur Zeit ist das das wundervolle Love for Life Project.

Achja, seit letztem Jahr gibt es uns auch in Melbourne- und GreenMe Detroit ist “in the Making”...

Was sind die größten Herausforderungen gewesen bei der Gründung bzw. Skalierung?

Da gab es natürlich viele! Ich glaube meine größte Challenge im 1. Jahr war, meinen Fokus zu finden. Ich bin ganz gut darin, ständig neue Ideen zu haben - was generell natürlich gut ist. Aber wenn man dann auch alles auf einmal startet, arbeitet man plötzlich an zu vielen Baustellen gleichzeitig. Ich hatte viele Momente, in denen ich überwältigt war, ohne wirklich voran zu kommen (und das Geld war auch sehr knapp), da kam also einiges an Druck hoch, mit dem ich sehr lange versucht habe alleine fertig zu werden. Der große Wendepunkt für mich war, dass ich einen großartigen Mentor gefunden habe und angefangen habe nach Hilfe zu fragen (das fiel mir vorher echt schwer). Er hat mir geholfen das Potenzial von GreenMe besser einzuschätzen und den Hauptfokus vorerst auf eine Sache zu legen. Wenn die dann läuft, kann man zur nächsten übergehen. Fokus ist immer noch (und immer wieder) eine Challenge - ich glaube, dass es vielen Unternehmern so geht. Aber ich habe jetzt ein viel besseres Gespür herauszufinden, was wirklich wichtig ist.

Inwiefern hast Du bereits staatliche Unterstützung erhalten? Was wünschst Du Dir?

Ich habe für die ersten 6 Monate den Gründungszuschuss erhalten. Das ist, je nach Ausgangslage, schon mal ein ganz hilfreicher Start. Allerdings gab es anfangs wirklich unheimlich viele Dinge, die ich lernen musste. Von Online Marketing Skills, über Webdesign, Podcasting - und überhaupt ein Unternehmer-Mindset. Das hatte ich vorher gar nicht, ich war eher eine Idealistin und Träumerin. Da ich komplett ohne Eigenkapital gestartet bin, war vom Gründungszuschuss nach Abzug der Lebenskosten nicht wirklich viel übrig.

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Über weitere Möglichkeiten habe ich mich ehrlich gesagt nie informiert. Bürokratie liegt mir nicht. Ich wollte es auch irgendwie alleine schaffen und war ein großer Fan vom Lean Startup Prinzip - d.h. sein Unternehmen mit möglichst wenig Kapitaleinsatz starten und ohne zu lange Vorab-Planung, sondern eher Learning-by-Doing. Ich hatte auch kein Interesse an Investoren, weil mir meine Unabhängigkeit unglaublich wichtig ist (das ist immer noch so). Ich wollte nicht den Zielen und Erwartungen anderer hinterherrennen müssen. Obwohl das für gewisse Modelle natürlich durchaus Sinn macht.

Was ich mir vielleicht wünschen würde ist etwas mehr Transparenz, eine Art “Wiki” oder Plattform/ App auf der Unternehmerwettbewerbe, -awards, oder auch Förderungen klar, einfach und unbürokratisch dargestellt sind, inkl. Reminder für Abgabefristen.

Ach und ein tatsächlicher Wunsch von mir ist es, dass GreenMe Berlin irgendwann eine B-Corp ist!

Wie beurteilst Du den deutschen SocEnt Sektor?

Hm, sprechen wir über Deutschland oder über Berlin? Ich kann aus meiner Erfahrung nur über Berlin sprechen - und sehe dass da gerade unheimlich viel passiert. In den letzten Jahren sind so tolle Social Startups entstanden, die in meinen Augen auch oft “da sind um zu bleiben”. Schon alleine wenn man mal schaut wie viele B-Corps es hier gibt, Tendenz steigend. Yunus hat letztes Jahr ebenfalls ein Büro in Kreuzberg eröffnet, es tut sich also einiges.

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Im Großen und Ganzen ist das auch schon ein schönes, sehr unterstützendes Netzwerk, es gibt viele Meetups und Konkurrenzdenken gibt es nicht - dennoch habe ich das Gefühl, dass die Community noch etwas enger und stärker zusammenwachsen könnte. Ich bin da aber sehr optimistisch, dass u.a. SEND seinen Beitrag leisten wird.

Welche 3 Tipps würdest Du angehenden Social Entrepreneurs geben?

  • Alles dauert immer länger als man denkt. Es gibt da diesen schönen Spruch: “Wir überschätzen, was wir in einem Jahr schaffen und unterschätzen, was wir in 3 Jahren schaffen können." Kann ich absolut unterschreiben. Also ist das wichtigste, nicht zu schnell aufzugeben.
  • Das knüpft an den ersten Tipp an: Einfach immer weitermachen. Es gab bei mir (besonders nach Jahr 1) viele Momente, in denen ich gezweifelt habe, ob die Richtung, die ich mit GreenMe Berlin eingeschlagen hatte, die richtige war. Da ist es sehr wichtig, nicht aufzugeben, sondern ggf. nach neuen Richtungen zu schauen und sich zu erlauben, diese einzuschlagen (auch wenn sie vielleicht völlig anders ist, als das, was man ursprünglich im Kopf hatte)
  • Das alles ist aber in meinen Augen nur möglich, wenn du eine klare Vision hast, die dich vorantreibt und dir Kraft gibt, jeden morgen aus dem Bett zu springen. Und diese Vision dann auch regelmäßig zu reviewen bzw. anzupassen oder auszuweiten. Mir hat es unheimlich geholfen, in Jahr 2 ein Manifesto zu schreiben. Das hat mir den nötigen Antrieb gegeben, um aus der “Zweifelphase” nach Jahr 1 herauszukommen und meine Richtung zu kennen - und die dann auch an andere weiterzugeben.

Ah Mist, jetzt sind die 3 schon voll. Noch ganz schnell hinten dran: don’t walk alone. Ich war sehr lange “Einzelkämpferin”, habe aber inzwischen sehr viel dazu gelernt. Egal, ob du dir Leute ins Team holst, oder dich mit anderen Social Entrepreneurs z.B. über SEND, austauschst, es gibt so viele Möglichkeiten nicht alleine dazustehen. Und das macht die ganze Bewegung doch auch so schön: Austausch mit Gleichgesinnten.

Hier kannst Du mehr über SEND erfahren und selbst Mitglied werden.