Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen!

Ein Interview mit Lisa Jaspers von FOLKDAYS, die in ihrer #fairbylaw Petition fordert, dass die Sorgfaltspflicht von Unternehmen gesetzlich geregelt werden soll.

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von Sofia Jacobi, April 23, 2019
#fairbylaw

Als FOLKDAYS-Gründerin Lisa Jaspers am 24.04.2018 die Petition «Stoppen Sie Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen in Kauf nehmen!» startete, unterzeichneten innerhalb kürzester Zeit mehr als 100.000 Menschen. Ein Jahr später gibt es noch immer kein Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten. In einer zweiten Auflage der Petition, die am 24.04.2019 unter dem Claim Tragt Verantwortung #fairbylaw launcht, fordern Lisa Jaspers und zahlreiche prominente Unterstützer*innen die deutsche Bundesregierung auf: Tragt Verantwortung! Deutsche Unternehmen müssen für Menschenrechtsverletzungen in ihren eigenen Lieferketten verantwortlich gemacht werden. Wir haben mit Lisa über ihre Mission geredet.

Video der #fairbylaw Petition.

Du hast die Petition “Stoppen Sie Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen in Kauf nehmen” auf change.org gestartet. Wie bist du dazu gekommen?

Lisa: In den vergangenen fünf Jahren, seit ich FOLKDAYS gegründet habe, saß ich oft in Diskussionsrunden und auf Panels zum Thema „Ethical Fashion“. Regelmäßig stand dabei eine Frage besonders im Fokus: Wie können wir nachhaltige Mode aus der Nische holen und zum gesellschaftlichen Mainstream machen? Meist werden die anschließenden Diskussionen sehr einseitig geführt, was mich zusehends frustriert hat: Als Übel werden oft die „unethischen“ Konsument*innen oder die „bösen“ Unternehmen identifiziert. Auch wenn natürlich an beiden Perspektiven etwas dran ist, hat mir in den Diskussionen eine wichtige Dimension gefehlt: die politische.

Als Konsument*innen würden wir in Deutschland nicht im Traum daran denken, alleinig den Unternehmen die Aufgabe zu übertragen, national unsere Menschenrechte zu schützen. Das macht natürlich der Staat und so muss es auch sein. Absurderweise nehmen wir im Bekleidungsmarkt aber in Kauf, dass Unternehmen sich selbst dazu verpflichten, international gewisse Arbeitsstandards einzuhalten und somit die Menschen- und Arbeitsrechte von Produzent*innen in Entwicklungsländern zu schützen. Das ist doch verrückt.

Um den Diskurs zu nachhaltiger Mode zu beeinflussen und zum Umdenken hinsichtlich besagter Verantwortungen anzuregen, habe ich im letzten Jahr – genauer gesagt zum fünften Jahrestag des Fabrikeinsturzes am Rana Plaza – die Petition gestartet. Außerdem bin ich persönlich fest davon überzeugt, dass nur ein Gesetz wirklich eine Veränderung hervorbringen kann.

Und da es beim Thema „Arbeitsstandards“, wie wir mittlerweile leider alle wissen, um Menschenleben geht, haben wir auch keine Zeit, ewig auf eine Veränderung des Marktes zu warten. Manchmal ist es sinnvoll, gerade in unserer Berliner Blase, sich bestimmte Zahlen vor Augen zu führen: Bio-Lebensmittel machen in Deutschland immer noch weniger als zehn Prozent des gesamten Lebensmittelmarktes aus. Die Bio-Bewegung gibt es seit über 30 Jahren. Der nachhaltige Textilmarkt liegt weit unter einem Prozent. Das heißt, wir brauchen ein Gesetz, wenn wir nicht 100 Jahre warten wollen.


Claim der Petition.

Am 10. Februar 2019 berichtete die TAZ, dass das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) von Gerd Müller einen Entwurf für ein Wertschöpfungskettengesetz, welches ein Sorgfaltspflichtengesetz einschließen soll, erarbeitet habe. Was hältst du von diesem Vorstoß?

Lisa: Weil auch das BMZ zu realisieren scheint, dass unverbindliche Initiativen wie das Textilbündnis nicht die gewünschten Resultate erzielen wird, wurde im Ministerium bereits ein Gesetzesentwurf erarbeitet, der vor kurzem geleakt wurde. Das Problem wird jedoch sein, die anderen Ministerien dafür zu gewinnen, das Gesetz weder weichzuwaschen noch komplett zu blockieren – was nicht einfach wird. Deshalb ist eine zivilgesellschaftliche Initiative wie unsere Petition so unglaublich wichtig und der Zeitpunkt perfekt. Wir müssen den Druck vor allem auf das Bundeskanzleramt und das Wirtschaftsministerium erhöhen, denn die scheinen aktuell die Akteure in der Bundesregierung zu sein, die mauern.

Wie wichtig ist deiner Meinung nach der zivile Druck auf die Politik?

Lisa: Ich finde, dass die Politik bereits viel zu lange die Verantwortung in Bezug auf Arbeitsstandards in Wertschöpfungsketten auf Unternehmen und Konsument*innen abwälzt. So lange sich nichts Fundamentales ändert, nehmen wir leider alle in Kauf, dass so ein furchtbares Unglück wie Rana Plaza immer wieder passieren kann. Wer sich dieser Hilflosigkeit nicht hingeben will, muss aktiv werden. Die Petition ist ein Weg aus der Hilflosigkeit und trifft gerade jetzt auf ein sogenanntes „window of opportunity“, denn die Regierung ist zu diesem Thema gespalten. Das wollen und müssen wir nutzen.

Die Demonstranten von Fridays4Future haben zwar enormen Zustimmung in der Bevölkerung, werden aber leider von politischer Seite oft kleingeredet und ins Lächerliche gezogen. Wie sind deine Erfahrungen bisher? Stößt du mit deinem Anliegen auf offene Türen?

Lisa: Für die Petition habe ich mich mit allen relevanten zivilgesellschaftlichen Akteuren, die zu ähnlichen Themen arbeiten, abgestimmt und erfahre sehr breite Unterstützung. Mit den Grünen hatte ich zu meiner Petition auch Kontakt und wir werden bei der zweiten Auflage der Petition, die heute gelauncht wurde, von u.a. Renate Künast unterstützt. Davon abgesehen hat es von politischer Seite bislang keine Reaktion gegeben. Wenn wir es schaffen, eine noch breitere gesellschaftliche Unterstützung für die Petition zu bekommen, muss es eine Reaktion geben, da bin ich mir sicher. Hunderttausende von Menschen kann auch Frau Merkel nicht ignorieren.

Unterstütze die #fairbylaw Petition HIER!

 

About: Lisa hat vor 5 Jahren das Fair Fashion Label FOLKDAYS gegründet. Sie ist Sozialunternehmerin und setzt sich für faire Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern sowie den Erhalt von Kunsthandwerk in diesen Ländern ein. Aktuell arbeitet FOLKDAYS mit 32 Kunsthandwerkern aus 25 Ländern zusammen und fördert so die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort. Mittlerweile arbeitet sie mit einem kleinen Team von 6 Mitarbeitern zusammen.