Kühlende Wärme, statt sozialer Kälte

Gemeinnützige und nachhaltige Kühlsysteme, die mit Wärme betrieben werden? Ohne Strom? Wie das funktioniert erklärt uns Christoph Goeller von Coolar.

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von Sascha Knoch, February 6, 2017
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ursprünglich erschienen: 16.02.2016

Da wir, von tbd*, mit vielen tollen Menschen, Ideen und Initiativen in Kontakt kommen, wird uns nie langweilig. So staunen wir nicht schlecht über die innovative Idee, die das soziale Startup und "The Venture" Gewinner Coolar uns präsentieren. Gemeinnützige und nachhaltige Kühlsysteme, die mit Wärme betrieben werden? Ohne Strom? Wie das funktioniert erklärt uns Christoph Goeller von Coolar. 

Ihr habt mit eurem Start-Up kürzlich den The Venture Award gewonnen. Herzlichen Glückwunsch! Mit welcher innovativen Idee, hat Coolar die Jury überzeugt?

Coolar hat einen Kühlschrank entwickelt, der mit Wärme statt mit Strom kühlt. Das ist überall dort hilfreich, wo eine lückenlose Stromversorgung nicht gegeben ist. Dort kann Sonnenwärme häufig als einfache Quelle genutzt werden. Wärme in isolierten Tanks ist zudem auch einfacher und robuster zu speichern, als etwa Elektrizität in Batterien. Besonders in Gesundheitseinrichtungen in entfernten Regionen ohne stabile Stromversorgung, ist es kritisch auch autark Kühlung bereitstellen zu können. Diese müssen nämlich lebenswichtige Medikamente und Impfstoffe kühl lagern. Hier kann Coolar mit den wärmebetriebenen Kühlschränken ansetzen und robuster, kostengünstiger und ökologisch nachhaltiger Kühlung bereitstellen, als das mit bisherigen Lösungen möglich ist.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen und wann wurde Coolar gegründet?

Die Idee hatte Julia Römer bereits in Ihrem Studium an der Technischen Universität Berlin. Sie hatte sich schon während des Bachelors mit alternativen Kühltechnologien auseinandergesetzt und dort unter anderem ein Patent für industrielle Kühlanlagen entwickelt. Im Master nahm sie neben den Pflichtveranstaltungen an einer Summer School des EIT Climate-KIC Netzwerks teil, die klimafreundliche Geschäftsideen fördert. Dort entwickelte Sie erstmals die Idee, die ihr bekannte Kühltechnologie kompakt in einem Kühlschrank umzusetzen. Die technische Machbarkeit dieser Idee untersuchte Sie anschließend unter den kritischen Blicken der Kältetechniker der TU in ihrer Masterarbeit und kam zu einem positiven Ergebnis. Nach Überlegungen, wo diese Technologie ihr Potenzial voll entfalten kann und wo sie am dringendsten gebraucht wird, stießen wir auf das Problem der Impfstoff- und Medizinkühlung in Entwicklungsregionen.

Wenn man an Kühlschränke denkt, bringt man diese vielleicht nicht notwendigerweise mit „Nachhaltigkeit“ in Verbindung. Inwiefern ist das bei euch anders?

Herkömmliche Kühlschränke basieren zumeist auf dem Prinzip der Kompressionskühlung. Dafür werden in der Regel umweltschädliche Kühlmittel eingesetzt.  Beim Kühlsystem von Coolar wird lediglich destilliertes Wasser eingesetzt. Darüber hinaus werden weder ein Kompressor, noch sonstige bewegliche Verschleißteile verwendet. Damit erhöht sich die Lebensdauer des Systems und es bedarf zudem keiner schädlichen Schmiermittel, die in herkömmlichen Kühlgeräten den Verschleiß minimieren.
Damit wäre ein Coolar Kühlschrank,  anders als gängige Kühlschränke, nicht als Sondermüll zu behandeln. Auch während der Lebensdauer und bei der Produktion sind die Risiken schädlicher Emissionen verschwindend gering.

Werden eure Kühlschränke bereits eingesetzt?

Bisher nur im Laborbetrieb. Unser Ziel mit dem Preisgeld von The Venture ist es, erste Pilotprojekte mit Partnern zu finanzieren. So werden Kühlschränke beim Endnutzer erprobt und schaffen Vertrauen für unsere neue Technologie. Diese Erprobung wollen wir gemeinsam mit solchen Partnern umsetzen, die nach einem erfolgreichen Piloten, auch zukünftig ein Interesse daran haben Coolar Kühlschränke einzusetzen. Geeignet dafür sind nationale und internationale Organisationen oder Behörden mit Verantwortung über die Gesundheitsversorgung entlegener Regionen.

Ihr habt euch sicherlich bereits einiges für 2016 vorgenommen. Wie sehen eure nächsten Schritte aus?

Wir haben vor, die ersten der schon angesprochenen Pilotprojekte umzusetzen. Gleichzeitig wollen wir unseren Kühlschrank so weiterentwickeln, dass er möglichst günstig in Serie produziert werden kann. Nur so können wir vielen Menschen Zugang zu stromnetzunabhängiger Kühlung ermöglichen. Dafür benötigen wir allerdings Geld für Ingenieure und Material. Darum würde es sehr helfen bei The Venture in New York, Mitte des Jahres einen Teil des Preisgeldes zu gewinnen. Alternativ wären private Investoren, Stiftungen, oder große Unternehmen mögliche Finanzierungspartner, die wir in 2016 gezielt ansprechen möchten.

Welche Erfahrungen habt ihr als Start-up bereits gesammelt, die ihr gerne teilen wollt?

Man muss seiner Idee treu bleiben. Es gibt in der Startup-Szene viele, die sehr gute Ratschläge geben. Wenn man als Gründer aber all diesen Ratschlägen zu folgen versucht, verliert man die Orientierung. Schon oft haben wir exakt gegenteilige Ratschläge von wohlmeinenden Bekanntschaften erhalten. Letztendlich müssen die Gründer aber die Entscheidungen treffen und verantworten. Deshalb vertraut auf eure eigenen Nachforschungen und Ergebnisse und lasst euch nicht von jedem aus der Hüfte geschossenen, gut gemeinten Rat verunsichern.

Was macht euch zu Changern?

Kühlung ist für die meisten Menschen in Europa selbstverständlich, für über eine Milliarde Menschen jedoch ist es unerreichter Luxus. Da lebenswichtige Medizin und Impfstoffe, sowie zahlreiche Nahrungsmittel Kühlung benötigen, ist das ein riesen Thema wenn es um Entwicklungsstandards geht. Kühlung, und dadurch ermöglichte Gesundheitsversorgung, verringert die Sterblichkeitsrate, insbesondere im Kindesalter. Die durch Kühlung ermöglichte vielfältigere Ernährung verbessert die Lebensqualität. Zugleich bedeuten Kühlanwendungen derzeit aber etwa 10% aller CO2-Emissionen weltweit und sind somit ein signifikanter Faktor im Kampf gegen den Klimawandel. Mit zunehmender Industrialisierung in Ländern mit warmem Klima wird dieser Wert im Verlauf der nächsten Jahrzehnte noch weiter ansteigen. Alte Kühlschränke überall auf der Welt verursachen zudem Sondermüll, aufgrund schädlicher Kühlflüssigkeiten und Schmiermittel. Kühlung ist also nicht nur eine Lösung für eine Verbesserung des Lebensstandards, sondern gleichzeitig auch ein kritisches Umweltproblem. Changer zu sein bedeutet für uns positiven Wandel in einem kritischen Themenfeld zu bewegen. Kühlung ist eines dieser Themenfelder. Wir sind sicher, dass Coolar dort einen großen positiven Wandel hin zu ökologisch nachhaltiger, weit zugänglicher Kühlung bewirken kann.

Vielen Dank für das Interview!