ISSO bietet Hilfe für junge social startups

Interview mit Alexander Schabel und Patrick Weirich von ISSO.

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von Naomi Ryland, January 1, 2017
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ursprünglich erschienen: 29.09.2015

In unserer Interviewserie sprachen wir mir Alexander Schabel und Patrick Weirich vom Institute for Social and Sustainable Oikonomics (ISSO), unser Partner im Rheinland. Im Interview erzählen Sie uns, wie ISSO jungen Social Startups helfen kann und wie wichtig Nachhaltigkeit für die Wirtschaft ist. 

Erzählt uns ein bisschen von Eurer Arbeit bei ISSO.

Alex:
Startups unterstützen, eigene Ideen umsetzen und das Thema Social Entrepreneurship generell bekannter machen – dies sind nur einige der vielen Dingen, die bei unserer alltäglichen Arbeit im Fokus stehen. Hierfür haben wir uns mit den Hochschulen der Region Koblenz und einer Reihe von spannenden überregionalen Akteuren zusammengetan und das Institute for Social and Sustainable Oikonomics (ISSO) gegründet. Gemeinsam entwickeln wir Formate und Aktivitäten um Gründungen mit gesellschaftlicher Wirkung zu ermöglichen. In unserem ISSO|lab bieten wir Ideengebern aus dem sozialen und ökologischen Bereich Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Projekte. Uns liegt es daran, eine aktive Community zu schaffen, die unsere traditionelle Wirtschaft anders denkt und dabei auf unsere Angebote zurückgreifen kann. Wir befähigen Menschen durch Coworking Space, Startup Büros, Veranstaltungsformate bis hin zur Vermittlung verschiedenen Formen der Finanzierung.

Patrick:
Wir sind noch ein kleines und junges Team. Ja, im Prinzip sind wir selbst ein Startup. Ein bis hierher gelungenes Experiment. Wie bei einem Startup kümmern wir uns auch um alles: Von der Beratung der Teams bis hin zum Falten von Flyern. Auch die Einrichtung für unseren Coworking Space bauen wir zum Großteil selbst. Im September werden wir in einem sanierten historischen Gebäude die Arbeit im neuen ISSO|lab aufnehmen – und den Teams damit auch völlig neue Möglichkeiten der Interaktion bieten können.

Ihr seid in einigen weiteren Projekten engagiert. Könnt ihr uns etwas über diese Projekte erzählen?

Alex:
Es handelt sich bei den Beispielen um Konzepte in verschiedenen Gründungsphasen. Wir haben sehr viele Ideen und Ansätze, aber leider nicht immer genügend Ressourcen um alle gleichzeitig umzusetzen. Bei slow:trekking haben wir beispielsweise ein regionales und ökologisch sanftes Naturerlebnisprojekt geschaffen, bei dem die Begegnung zwischen Mensch, Tier und Umwelt im Vordergrund steht. Bei „Ehrenamt 2.0“ arbeiten wir derzeit daran, wie man ehrenamtliche Tätigkeiten aktiver in jüngere Bevölkerungsschichten und in Unternehmen übertragen bzw. integrieren kann. Prinzipiell geht uns darum, greifbare Beispiele zu finden, wie alternatives Wirtschaften praktisch umsetzbar ist.

Patrick:
juteSache ist ein Konzept, an dem ich gemeinsam mit vier Freunden seit einigen Monaten arbeite. Mit unserer Pfandtasche wollen wir den hohen Plastiktütenverbrauch in Deutschland reduzieren. Kunden erhalten im Einzelhandel unsere Tasche gegen einen Pfandbetrag und können diese fortan gegen eine neue Tasche umtauschen oder erhalten ihren Pfandbetrag zurück. Der Rückgabezeitraum und der Zustand der Tasche spielt hierbei keine Rolle. Durch eine Kreislaufwirtschaft und eine Kooperation mit Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) werden Taschen ständig gereinigt und kontrolliert. Am Ende eines Lebenszyklus entstehen dann Upcycling Produkte aus den ehemaligen Transportbehältnissen.

Wie sieht die Zukunft des Instituts aus?

Alex:
In den kommenden Monaten wird unser Fokus sehr auf der Arbeit mit Teams liegen. Das Sanieren der Räumlichkeiten für das ISSO|lab hat viel Zeit und Energie gekostet, welche wir ab sofort wieder mehr in die inhaltliche Arbeit stecken werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist unser neues Programm Cities4Change, welches wir ab September mit spannenden Partnern organisieren. Fünf unterschiedliche Events in Wuppertal, Duisburg, Köln und Koblenz bieten die Gelegenheit, sich intensiv mit dem Thema Social Entrepreneurship auseinanderzusetzen und eigene Ideen voranzubringen.

Was meint Ihr, wie sich das Konzept der Nachhaltigkeit in den nächsten 5-10 Jahre entwickeln wird?

Alex:
Viele Große Konzerne haben ein Glaubwürdigkeitsproblem und ungeeignete Strukturen um den nötigen Wandel erfolgreich umzusetzen. Hier können Startups mit klaren Lösungen und Authentizität punkten. Grundsätzlich muss Nachhaltigkeit in jedem Produkt und in jeden Prozess integriert werden – oberflächliche CSR Maßnahmen bringen uns da nicht weiter. Zukünftige Produktentwicklung darf den Sinn nicht aus den Augen verlieren. "Nachhaltigkeit bedeutet nicht allen Produkten einen grünen Anstrich zu geben, sondern das Konsumverhalten und den Nutzen zu hinterfragen." Ich bin überzeugt davon, dass besonders Startups, welche Nachhaltigkeit in Ihren Produkten sowie der Unternehmenskultur integriert haben gute Chancen haben werden.

Was sind die spannendsten Entwicklungen im Bereich "Nachhaltiges Wirtschaften" in Eurer Region?

Alex:
Im Großen wie im Kleinen bewegt sich auch in unserer Region eine Menge. Gut zeigt sich dies z.B. beim Thema Energie. Als eine Art Mahnmal aus alten Zeiten prägt ein seit Jahrzehnten stillgelegtes AKW immer noch unseren Abschnitt des Mittelrheins. Hier wurden Milliarden von Euro versenkt. Der Kühlturm wird nun bald abgerissen und ist somit ein Symbol einer sich verändernden gesellschaftlich- politischen Grundeinstellung in unserem Land. Rheinland-Pfalz hat sich ehrgeizige Ziele im Ausbau von erneuerbaren Energien gesetzt – einen Wandel den ich sehr begrüße.

Patrick:
Viel Engagement wird leider nicht so gewürdigt, wie es sein sollte. Besonders Vereine und Initiativen leisten einen nachhaltigen gesellschaftlichen Beitrag. In unserer Region gibt es z.B. die RegioMark – eine regionale Währung – welche sehr gut angenommen wird und den lokalen Konsum fördert. Es gibt vermehrt wieder Wochenmärkte von lokalen Anbietern in verschiedenen Stadtteilen und schließlich das interessante Projekt „Essbare Stadt Andernach“, bei dem Teile der kommunalen Grünflächen von Bürgern bewirtschaftet werden. Gleichzeitig stehen bei Reife die Erträge allen Einwohnern zur Verfügung. Auch aus dem studentischen Umfeld gibt es viel Engagement. So organisiert z.B. Koblenz lernt e.V. – studentische Nachhilfe für benachteiligte Kinder- und Jugendliche.

Was muss Eurer Meinung nach passieren damit Unternehmen in der Praxis nachhaltiger werden?

Patrick:
Ich denke wir sind auf einem sehr guten Weg. Es hat viele Jahre gedauert bis die gesellschaftlichen Akteure in Politik, bei Bürgern oder Unternehmen auf ein gegenseitiges Verantwortungsbewusstsein achten. Dieses Verlangen nach Verantwortungsübernahme wird auch in den nächsten Jahren weiter wachsen. Traditionelle Unternehmen bedienen sich zunehmend an Instrumenten und Motiven bei Non-Profit Organisationen. Umgekehrt ist ebenso eine Professionalisierung von gemeinwohlorientierten Organisationen zu beobachten, welche sich an Methoden und Prozessen von kommerziellen Unternehmen bedienen. Alles Faktoren, welche der ansteigenden Bedeutung und Entwicklung von Sozialunternehmungen bestärken.

Welchen Tipp möchtet Ihr jungen Social Startups mit auf den Weg geben?

Alex:
Es gab nie eine bessere Zeit ein Social Startup zu gründen als heute! Wer diesen Bereich grade für sich entdeckt, dem möchte ich unbedingt raten sich die nötige Zeit zu nehmen und es zu einfach zu versuchen. Noch machen Social Startups einen zu geringen Anteil an unserem Wirtschaftsleben aus. Es gibt noch unendlich viel Raum für Veränderung und neue Konzepte. Man muss nur damit beginnen!

Patrick: Die Problemanalyse, d.h. die Phase vor der eigentlichen Ideengenerierung empfinde ich als besonders wichtig. Ich denke es gibt viele Projekte – kommerziell oder nicht – welche aufgrund einer unzureichenden Problemanalyse scheitern. Dazu gehört auch das Aufstellen und Validieren von eigenen Hypothesen. Manchmal ist es gar nicht schlecht, seine Hypothesen von den potentiellen Nutzern nicht belegt zu bekommen. Viele überschätzen sich in der Fähigkeit, sich in die Lage von anderen Menschen hinein versetzen zu können. Diese Erfahrung habe ich auch schon selber gemacht :)

Was macht Euch zu Changer?

Alex: Durch unsere Arbeit bei ISSO leisten wir einen Beitrag um möglichst vielen angehenden Gründern eine Perspektive zu bieten. Ich hoffe, dass wir damit als eine Art Katalysator in der Region wirken können und damit auch das Thema Social Entrepreneurship in das Bewusstsein möglichst vieler Menschen zu bringen. Mich persönlich hat meine Arbeit Anfang des Jahres dazu motiviert, alle meine Lebensgewohnheiten kritisch auf ökologische und soziale Einflüsse hin zu durchleuchten. Ich habe aus den Ergebnissen eine Scorecard erstellt und mir in allen Bereichen Ziele und Maßnahmen gesetzt. Hört sich vielleicht ein bisschen nerdy an, hilft mir aber sehr die Dinge wirklich anzupacken und umzusetzen.

Patrick: Ich lege bei meinem Handeln sehr viel Wert auf ethische Grundsätze, erfasse diese allerdings nicht in einem Tool - wie Alex (lacht). Nein, Spaß, ich glaube die eigene Moral beeinflusst das Handeln sehr. Letztendlich zählt jede Entscheidung die man trifft. Ich versuche in jeder Entscheidung etwas Positives zu bewirken.

Weitere Information unter www.isso.de und www.issolab.de