Bei der Auftaktveranstaltung des Center for Feminist Foreign Policy in Berlin trifft Feminismus auf Diplomatie

Die Gründerinnen ​Marissa Conway und ​Kristina Lunz sprachen über ihre Vision einer feministischen Außen- und Sicherheitspolitik – und diskutierten, wie sich Frauen- und Menschenrechte mit Diplomatie vereinbaren lassen.

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von Lea Börgerding, September 28, 2018

Am Donnerstag, den 20. September 2018, hat der deutsche Ableger des ​Center for Feminist Foreign Policy (CFFP) erstmals seine Arbeit vorgestellt. Zusammen mit Expert*innen von politischen Institutionen, Aktionsbündnissen, Parteien und NGOs sprachen die Gründerinnen ​Marissa Conway und ​Kristina Lunz im Microsoft Atrium in Berlin vor rund 200 Gästen über ihre Vision einer feministischen Außen- und Sicherheitspolitik – und diskutierten, wie sich Frauen- und Menschenrechte mit Diplomatie vereinbaren lassen​. ​Unterstützt wird das weltweit erste Zentrum für feministische Außenpolitik von einem hochkarätigen, internationalen ​Beirat​, dem zum Beispiel die US-amerikanische Schauspielerin und feministische Aktivistin ​Rose McGowan oder ​Sanam Naraghi-Anderlini​, die Direktorin des​ ​International Civil Society Action Networks​, angehören.

CFFP germany launch

CFFP advisory board Alle Fotos: Waleria Schuele

Wie genau so eine feministische Außenpolitik in der Praxis aussehen könnte – das war die Frage, die Kristina Lunz den Gästen des ersten Panels gleich zu Beginn der Veranstaltung stellte. Als Repräsentant*innen von Ländern, die sich schon heute außenpolitisch für Geschlechtergleichheit einsetzen, waren sich Johan Frisell (Gesandter der Schwedischen Botschaft), ​Esther Neuhaus (Stv. Abteilungsleiterin Politik und Medien der Schweizer Botschaft), ​Geoff Gartshore (​Botschaftsrat, Politische Angelegenheiten an der Kanadischen Botschaft) und Dr. Antti Kaski (Gesandter der Botschaft von Finnland) einig: Um Außenpolitik inklusiver und friedlicher zu gestalten, müssen Frauen und andere politische Minderheiten stärker in Organisationen und Prozesse eingebunden werden. Schweden zum Beispiel, erklärte Johan Frisell, würde im UN Sicherheitsrat deshalb immer wieder die „Gender Perspektive“ in den Vordergrund rücken – und wünscht sich, dass die Bundesregierung mitzieht, wenn sie im nächsten Jahr einen ​nicht-ständigen Sitz erhält​. So hat Schweden während seiner Zeit im Rat etwa dafür gesorgt, dass weltweit mehr Frauen mitverhandeln, wenn es um Frieden geht.

Dass Deutschland bald reif ist für eine feministische Außenpolitik, fand auch Gyde Jensen von der FDP, die aktuell als jüngste Abgeordnete im Bundestag dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe vorsteht. In ihrer Rede argumentierte Jensen, dass Geschlechtergleichstellung eine zentrale demokratische Verpflichtung sei – und dass die Bundesregierung deshalb alles daransetzen sollte, diesen Grundwert auch auf internationaler Ebene zu stärken.

Ein Top-Down-Ansatz westlicher Regierungen allein reicht jedoch nicht aus, um die Situation von Frauen weltweit zu verbessern – das machte ​Catalina Ruiz Navarro​, feministische Aktivistin aus Kolumbien, in ihrer Keynote deutlich. Sie sprach darüber, wie die Zeit der Kolonisation noch heute die Beziehung zwischen dem „globalen Norden“ und dem „globalen Süden“ beeinflusst – und zeigte anhand des kolumbianischen Friedensprozesses auf, welche Rolle feministischer Graswurzel-Aktivismus spielen kann, um patriarchalische und elitäre Machtverhältnisse herauszufordern.

CFFP Foto: Waleria Schuele

In der letzten Diskussion der Auftaktveranstaltung des CFFP stand dann das Thema Intersektionalität im Vordergrund: eine Herangehensweise, die anerkennt, dass sich die Erfahrungen von Frauen und anderen politischen Minderheiten aufgrund von Ethnizität, Glauben, sozio​ökonomischem Status, sexueller Orientierung usw. unterscheiden – und es deshalb „Minderheiten innerhalb von Minderheiten“ gibt, wie ​Lana Sirri​, Professorin für Gender und Religion an der Maastricht University, es auf den Punkt brachte. Mit der Schriftstellerin und Aktivistin ​Kübra Gümüsay​, ​Elvira Rosert (Professorin für Internationale Beziehungen an der Universität Hamburg) und ​Jennifer Cassidy(Lehrbeauftragte der University of Oxford) sprach sie darüber, wie die Institutionen, Rollenbilder und Sprache der Diplomatie inklusiver und diskriminierungsfrei gestaltet werden könnten. Eine feministische Außenpolitik, betonte Kübra Gümusay, gäbe es heute noch nicht – sie sei jedoch das Ziel und die Vision, nach der Regierungen, Politiker*innen und Aktivist*innen ihre Handlungen ausrichten sollten.

Mit dem neuen Center for Feminist Foreign Policy hat die deutsche Politiklandschaft einen wichtigen Schritt in die Richtung dieser feministischen Außenpolitik-Utopie gewagt - und stößt dabei auf großes Interesse: Das wurde auch im Anschluss an das Event deutlich, als viele der Gäste bei Drinks und Musik von DJane ​Gizem Adiyaman des Kollektivs ​Hoe_mies die Diskussion weiter führten. CFFP Deutschland Direktorin Kristina Lunz zeigte sich deshalb positiv gestimmt: „Unsere Hoffnung ist groß, dass die Bundesregierung schon bald an einer eigenen feministischen Außenpolitik arbeiten wird.“ Und sie fügte hinzu: „Als CFFP werden uns mit aller Energie etwa dafür einsetzen, dass Deutschland zum Beispiel im Sicherheitsrat dem Vorbild Schwedens folgen und den feministischen Kurs in den nächsten zwei Jahren fortsetzen wird.“

CFFP

Im Winter 2016 initiierte Marissa Conway in London ein feministisches Zentrum für internationale Politik, dem sich Kristina Lunz als Mitgründerin anschloß. Sie holte die Initiative nach Deutschland und gründete im Sommer 2018 das Centre for Feminist Foreign Policy CFFP als gGmbH in Berlin, das sie als Geschäftsführerin gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Nina Bernarding leitet. Für das CFFP London und Berlin ist ein gemeinsamer hochrangig besetzter und international vernetzter Beirat in Vorbereitung. ​Das CFFP wird durch Mitgliedsbeiträge, Partnerschaften und Spenden finanziert.