Burnout: Ein Erfahrungsbericht

Da stand ich, mitten im Chaos meines Lebens. Ich konnte meine Emotionen nicht mehr regulieren, ich weinte fast jeden Tag und jede Nacht über eine sehr, sehr lange Zeit.

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von Elisabeth Hahnke, June 7, 2022
Burnout

Irgendwann im Juli letzten Jahres rief ich meinen Coaching Ausbilder an. Er arbeitet seit über 40 Jahren als Therapeut, Coach und Ausbilder. Wir hatten uns schon länger nicht gehört. Ich begann das Gespräch mit: „Hallo Ulrich, irgendetwas stimmt mit mir nicht!“ Er hörte mir zu, stellte ein paar Fragen. Unter meinem Schluchzen konnte ich kaum einen geraden Satz formulieren. Nach einigen Minuten sagte er: „Elisabeth, Du hast ein Burnout. Ich weiß nicht, wie Du es bis hierhin ohne Hilfe geschafft hast.“ Unter meinem Weinen musste ich lachen: „Naja, weil ich stark bin.“ „Ja, und das ist das Problem.“

Ich bin bewusst, ich arbeite seit über einem Jahrzehnt an mir. Meine Überzeugung war, dass ich niemals in eine persönliche Krise hineinrasen würde. Ich würde die Warnsignale deuten können und mich vorher abfangen. Doch da stand ich, mitten im Chaos meines Lebens. Ich konnte meine Emotionen nicht mehr regulieren, ich weinte fast jeden Tag und jede Nacht über eine sehr, sehr lange Zeit. Ich konnte nicht mehr durchschlafen, war 5 oder 6 Mal die Nacht wach. Die Gedanken rasten. Manchmal konnte ich keine Treppe steigen, so erschöpft war ich. Mein Arzt sagte: „Globales Ausgelaugt sein.“ Mein Herzschlag war an manchen Tagen so schwach, dass ich ihn kaum wahrnehmen konnte. Mein Puls war kaum zu spüren. Aber ich funktionierte. Ich meditierte mich über die Symptome hinweg. Führte meine Dankbarkeitslisten. Sprach mir Zuversicht zu.

Burnout

Taub sein und stumm. Gedanken wie Schwerter. Das innere Kind schreit immer zu. Hör auf! Gefühlsverloren in tiefe Stille sinken. Hände die ins Leere greifen, während sie Sandkuchen backen, Töpfe ausspülen, ein Unternehmen aufbauen, Rotz abwischen, Pflaster kleben, Kissen aufschütteln, Teams führen, Menschen halten, durch Instagram swipen, Tränen abwischen, Nudeln kochen, Nummern ins Telefon tippen… Im Anfang kein Ende finden und im Ende nur Anfang. Das ist Trennung.

 

Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich den Gedanken hatte, es gäbe für diese Erfahrung keine Lösung. Es fühlte sich so an, als ob mir alle Türen verschlossen wären. Ich drehte mich im Kreis, fand keine Worte und keinen Halt. Trauer und Wut schossen wie Wellen durch meinen Körper. Auf dem Spielplatz, im Auto, an der Supermarktkasse, im Teammeeting. Meine Coaching-Tools griffen ins Leere: Achtsamkeit, innere Kind Arbeit, Selbstliebe…

Ich habe mich in gewisser Weise vor mir selbst versteckt. Gedanken wie: „Stell Dich nicht so an! Du schaffst das! Es muss doch gehen! Es ist doch alles gut! Du hast nichts! Du bist stark!“ haben mich davon abgehalten mir einzugestehen, dass ich Hilfe brauchte. Erst als ich die Diagnose bekam, wurde etwas in mir klar, still und fokussiert. Ich hatte ein Problem. Und ich konnte es nicht alleine lösen. Also brauchte ich Hilfe. Und die organisierte ich mir. Das Burnout war und ist bisher meine größte Meisterin. Ich bin seit diesem Frühling wieder gesund. Es hat mich verändert, mir meine blinden Flecken mit großer Heftigkeit aufgezeigt. Es hat mich von vielen alten Verletzungen und Glaubenssätzen befreit. Tut es immer noch.

Wenn Du gerade in einer Krise bist, möchte ich Dich in die Arme nehmen und Dir sagen:

„Es ist schlimm. Ja. Du darfst das erkennen. Das, was Du erlebst brauchst Du nicht in positiven Affirmationen ertränken. Und Du brauchst Dir auch nicht einzureden, dass Du schuld bist und es hättest besser machen können. Manchmal wächst uns das Leben über den Kopf. Manchmal spielen unsere Gedanken verrückt. Manchmal kennen wir uns einfach nicht mehr aus. Das ist okay.“

„Du bist nicht alleine. Du musst da nicht alleine durch. Und es geht auch nicht. Wenn wir taumeln, dann lass Dich für eine Zeit auffangen. Wenn Deine Hände ins Leere greifen, dann lass andere Menschen Deine Hände für eine Zeit halten. Hol Dir Hilfe.“

„Es geht vorbei, auch wenn es sich manchmal nicht so anfühlt. Es verändert sich. Es verändert Dich. Und es verändert Dein Leben. Weil die Zeit reif ist. Erlaube Dir die Möglichkeit einer Veränderung. Erlaube Dir, dass die Krise alles in Dein Bewusstsein zerrt, was schon lange nicht mehr für Dich stimmt. Erlaube Dir, Dich zu befreien. Vertraue Dir.“

„Woran ich fest glaube ist, dass Krisen genau dann auftauchen, wenn wir dafür bereit sind. Setze Deine Kraft nicht dafür ein weiter zu funktionieren. Setze Deine Kraft dafür ein, alles zu tun, um Dir zu helfen, für Dich zu sorgen und um Dich selbst zu erkennen.“

 

Kopf hoch, Herz offen und Rock’n Roll.

Alles Liebe, Deine Elisabeth