Auch Sozialunternehmen müssen Absätze generieren

Viktoria Schmidt von nearBees über die Entwicklung ihres Unternehmens.

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von Patrick Weirich, April 6, 2017
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ursprünglich erschienen: 06.04.2016

Der Sommer steht vor der Tür und somit auch die Bienen. Doch um die kleinen Blütensauger steht es nicht gut, ihre Population geht zurück. Viktoria Schmidt, Gründerin von nearBees möchte das ändern. Warum Bienen so wichtig sind, wie nearBees sie schützen kann, warum Fans alleine nicht reichen und wie das Unternehmen nach nun 1,5 Jahren weiter florieren soll, erzählt uns Viktoria im Interview.

Was macht nearBees?

Unser Ziel ist es die Bienen zu retten. Auf den ersten Blick vielleicht etwas abgehoben und vermessen, denn um die Biene zu retten, müssen viele Stakeholder an einem Strang ziehen. Aber wir wollen unseren Teil aktiv dazu beitragen. Dazu vermitteln wir Honig von lokalen Imkern an Honigliebhaber.

Zudem vermitteln wir Patenschaften - aktuell an Firmenkunden - mit denen neue Bienenvölker geschaffen werden. Vorwiegend nutzen wir dazu unsere Online-Plattform. Verbraucher können auf nearBees.de ihren Wohnort eingeben und wir zeigen ihnen die Imker und Bienen in ihrer Region. Als Kunde bekommt man einen detaillierten Einblick in die Haltung einzelner Bienenvölker und kann sich über den Standort, den Honig und die Vorgehensweise des Imkers informieren. So kann man sich mit ein paar Klicks den Honig von Nebenan ganz bequem nach Hause bestellen.

Unsere Verpackung spielt hierbei eine essenzielle Rolle. Das handelsübliche Gefäß für die Honigvermarktung war bisher das Honigglas. So ein Honigglas ist aber sehr sperrig und zerbrechlich und zum kostengünstigen Versand nicht wirklich geeignet. Wir haben deshalb den Honigversand revolutioniert und eine völlig neue Verpackung für Honig entwickelt: einen leichten, flachen Beutel. Dieser kann in einem großen Briefumschlag ganz einfach und klimaneutral per Post verschickt werden. Der Kunde muss den Honig dann Zuhause nur in einen Honigtopf abfüllen und schon kann man ihn genießen. So kann jeder ganz einfach zum Erhalt der heimischen Honigbiene beitragen.

Welche Motivation steckt hinter der Gründung von nearBees?

Ich habe selbst Bienen und bin Imkerin aus Leidenschaft. Als ich angefangen habe zu Imkern, ist mir sehr schnell bewusst geworden, dass es den Bienen leider nicht mehr so gut geht. Sie haben mit Krankheiten und der modernen Landwirtschaft zu kämpfen. Besonders ärgerlich ist es aber, dass es immer weniger Imker in Deutschland gibt, was zu einem weiteren Rückgang der Bienenpopulation führt. Dabei ist die Imkerei ein wirklich schönes Hobby! Es hört sich zwar komisch an, aber ein Grund dafür sind mangelnde Absatzmöglichkeiten für kleine Imker - sagen wir mit fünf Bienenvölkern. Solch ein Imker hat doch so viel Honig, dass es zum selbst Essen und Verschenken zu viel ist - für die Vermarktung über einen kleineren Einzelhändler ist es jedoch viel zu wenig Honig. 

Wenn man den Honig nicht gewinnbringend verkaufen kann, dann reicht es vielen Imkern auch ein oder zwei Völker zu halten. Doch fehlen heutzutage bereits vielerorts Bienen um eine ausreichende Bestäubung zu garantieren. Die Bienen sind ein wichtiger Teil der Natur und extrem wichtig für unsere gesamte Umwelt und Volkswirtschaft. Einen Rückgang der Bienenpopulation, bedeutet daher auch ein Rückgang der lokalen Bestäubungsleistung, Pflanzenvielfalt und der Erträge in der Landwirtschaft. 

Die Deutschen sind Weltmeister im Honigessen, doch in den Supermärkten gibt es fast nur gemischten Honig aus EG und Nicht-EG Ländern, also ausländischer Import-Honig. Die Nachfrage und der Markt sind somit da. 

Dennoch ist es vor allem in der Stadt sehr schwierig geworden, regionalen Honig zu bekommen. Daher möchten wir den gesellschaftlichen Mehrwert der Bienen aufzeigen und die Honigvermarktung an die heutigen Einkaufsgewohnheiten anpassen. 

Welchen Vorteil bringt nearBees für Imker?

Wir bieten Imkern eine Plattform für einen bequemen und zeitsparenden Verkauf, das ist für viele eine radikale Vereinfachung der bisherigen Vermarktung. Der Imker kann den Preis seines Honigs selbst bestimmen und wird somit fair entlohnt. Gerade auch für kleine Imker, die nicht ganzjährig Honig haben, ist diese Vermarktungsmöglichkeit perfekt, da sie im Einzelhandel sonst nirgends unterkommen. Die Registrierung bei nearBees ist dabei für die Imker kostenlos. Außerdem unterstützen wir Jungimker mit Tipps und Anweisungen in der Bienenhaltung durch unseren Blog und über unseren Newsletter. Alles in allem wollen wir dafür sorgen, dass der Imker mehr Zeit bei seinen Bienen genießen kann. 

Wie habt Ihr die Entwicklung einer Unternehmensgründung bisher wahrgenommen? 

Ein bisschen Klischee, aber wir haben wirklich schon eine Reise mit vielen Höhen und Tiefen hinter uns. In den letzten 1,5 Jahren haben wir sehr viele Preise und Auszeichnungen erhalten, vom Preisträger zum tragfähigen Unternehmen ist es jedoch ein langer, holpriger Weg. Momentan sind wir noch, wie fast jedes Unternehmen am Anfang, auf externe Unterstützung angewiesen. Die Unterstützung, die wir im Laufe der letzten Jahre erhalten haben ist sehr vielschichtig. Von der ideeller Begleitung in der Anfangsphase beispielweise durch das Strascheg Center for Entrepreneurship, der Social Entrepreneurship Akademie oder dem Programm Engagement mit Perspektive von Ashoka bis hin zu unserer 1. Finanzierungsrunde im Pre-Seed-Stadium im Sommer letzten Jahres. Wir haben insgesamt 6 Auszeichnungen in diversen Gründerwettbewerben erhalten, wurden unter anderem als Bestes Social Startup 2015 von der Wirtschaftswoche ausgezeichnet und haben über 20.000 Euro in unserer Crowdfunding Kampagne eingesammelt, wo uns auch noch Ben & Jerry´s unterstützt hat. 

Habt Ihr vielleicht Dinge unterschätzt? Wo steht Ihr gerade? 

Die Crowdfunding-Kampagne auf Startnext im Sommer 2015 war eine sehr große Herausforderung. Zum einen war die Zeit während der Kampagne sehr intensiv, aber auch die operative Abwicklung der „Geschenke“ hat wirklich sehr viel Zeit und Personal in Anspruch genommen. Bei aller Euphorie hat man das auch im Team gespürt. Wir haben da neben Beruf und Studium nach Feierabend und am Wochenende noch jede Menge Zeit investiert, oft auch die Nächte durchgearbeitet. Viel Freizeit gab es da nicht. Trotz dem Stress hat es natürlich unglaublich viel Spaß gemacht und uns letztlich auch darin gestärkt diesen harten Weg weiterzugehen. 

Wo es nun für uns hingeht? Wir wollen uns als Unternehmen natürlich ständig weiterentwickeln und wachsen. Deshalb sind wir derzeit auf der Suche nach Geschäftspartnern und planen die nächste Finanzierungsrunde. Außerdem steht momentan beispielsweise eine Ausweitung auf weitere Länder und der Ausbau unserer B2B-Angeboten auf unserer Liste.

Hast Du einen Rat, den Du anderen GründerInnen mit auf den Weg geben möchtest?

Die Fähigkeit, sich im Team und das Geschäftsmodell immer wieder kritisch zu hinterfragen ist essenziell. "Man darf sich nie auf seiner Idee ausruhen und denken, dass es schon von alleine irgendwie laufen wird." Außerdem Vertrieb, Vertrieb, Vertrieb. Im letzten Jahr leisteten wir sehr viel Arbeit an der Basis: in Imkervereinen, in Schulen und auf Konferenzen, sodass wir dem Vertrieb leider nicht immer genügend Aufmerksamkeit schenkten. Wir sind dadurch zwar sehr authentisch und gelten auch als glaubwürdig in diesen Kreisen. Aber letztendlich müssen wir auch wirtschaftlich erfolgreich sein - da ist Authentizität zwar sehr wichtig, aber weiter bringen dich, übertrieben gesagt, nur Kunden und Verkäufe. Denn langfristig bringt dir die größte Aufmerksamkeit nichts, wenn man nicht einen gewissen Teil des Lobes monetarisiert bekommt.

Schließlich ist das auch die Kunst eines Sozialunternehmens. Diese Lektion haben wir gelernt und kümmern uns nun intensiver um neue Kunden und Geschäftszweige. Besonders die Social Entrepreneurship Szene ist häufig schwierig zu deuten. Viele Menschen sagen dir, dass es sich bei deinem Projekt um eine tolle, bahnbrechende Idee handelt und sind sich der ökologischen Problematik bewusst, aber das genügt leider nicht. “Super Idee, cooles Projekt! Das muss ich mir unbedingt mal ansehen”, höre ich oft, wenn ich Fremden von unserem Unternehmen erzähle. Wenn man später mal nachfragt, bekommt man als Feedback, dass das alles toll sei, aber gekauft hätten sie nichts. Sind die Leute, die das Projekt toll finden auch wirklich deine Kunden?

Das sind die Fragen, die sich jedes Social Startup stellen sollte. Denn irgendwann muss jedes Unternehmen Absätze generieren und das geht eben nur mit zahlenden Kunden und nicht mit Fans.

Was macht Dich zu einem Changer?

Schon mein Opa hatte Bienen und die Imkerei hat bei uns in der Familie eine lange Tradition. Irgendwann ging es bei ihm gesundheitlich aber nicht mehr. Die Bienen standen vor dem Aus, kein Summen im Garten mehr, keine Bienen mehr in den in den weißen Kirschblüten. Das hat nicht sehr betroffen und so habe ich mich entschlossen in seine Fußstapfen zu treten. Mit unserer Online-Plattform haben wir eine Verbindung vom alten traditionellen Handwerk Imkerei in die digitale Welt geschaffen. Beim Einkaufen im Internet werden Produkte oft um die halbe Welt geschickt, doch bei uns ist es umgekehrt. Wir setzen uns für eine Re-Regionalisierung des Honigs ein.

Mit unseren Patenschaften gehen wir sogar noch einen Schritt weiter, denn durch diese sorgen wir dafür, dass ein neues Bienenvolk gebildet wird und die Natur weiter gestärkt wird. nearBees ist für mich auch stellvertretend für die Frage, wie weit ist die Social Entrepreneurship Szene in Deutschland? Durch die vielen Auszeichnungen spüren wir natürlich auch einen gewissen Erfolgsdruck. Diesen Druck zu nutzen und positiv umzusetzen, daran arbeiten wir täglich - wer uns dabei helfen möchte ist herzlich eingeladen uns zu kontaktieren.

 

Dieses Interview wurde von Patrick Weirich vom ISSO|lab geführt.

Das ISSO|lab unterstützt StartUps und Initiativen, welche sich dem gesellschaftlich-ökologischen Wandel verschrieben haben. Mehr Informationen unter: www.issolab.de

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