Social Entrepreneurship goes Bundestag

Vergangene Woche wurde die strategische Förderung und Unterstützung von Social Entrepreneurship in Deutschland im Bundestag diskutiert.

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by SEND e.V., April 17, 2019
Bundestag innen

Der Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. - kurz SEND - wurde im Juni 2017 gegründet und setzt sich dafür ein, Sozialunternehmer*innen zu stärken und soziale Innovationen mit dem erforderlichen Nachdruck voranzutreiben.

Die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat im Koalitionsvertrag mehrfach eine bessere Unterstützung von Social Entrepreneurship und Sozialen Innovationen verankert. Eine Umsetzung wurde bislang noch nicht mit dem nötigen Nachdruck angegangen.

Vergangene Woche wurde unser Thema nun erstmals im Plenum des Bundestags diskutiert. Grundlage war der Antrag “Strategische Förderung und Unterstützung von Social Entrepreneurship in Deutschland” von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der eine Reihe nötiger Änderungen aufgreift und damit eine gute Basis für die Diskussion liefert. Im Beitrag fassen wir die einzelnen Redebeiträge kur zusammen und zeigen im Anschluss drei konkrete Handlungsempfehlungen auf.

Spotlights auf die Redebeiträge

Für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen sprach Dieter Janecek. In seinem Beitrag zeigte er anhand mehrerer Beispiele die gesellschaftlichen Potenziale innovativer Sozialunternehmer*innen auf und weist auf die bisherigen Versäumnisse der Bundesregierung auf die Beschlüsse im Koalitionsvertrag hin. Im Anschluss erleutert er eine Reihe konkreter Handlungsvorschläge aus dem Antrag der Fraktion. [Videobeitrag]

Die Bundestagsabgeordneten Jan Metzler und Mark Hauptmann für die CDU/CSU-Fraktion gaben Ihre Redebeiträge zu Protokoll. Herr Metzler griff hierbei vor allem Punkte der Antwort der Bundesregierung zur „Kleinen Anfrage“ auf, die dem Antrag vorweggegangen ist. [Redemanuskript]
Herr Hauptmann legt seinen Schwerpunkt auf die allgemeine Förderung der Gründerkultur und sieht eine Unterstützung von Social Entrepreneurship im Rahmen dieser als ausreichend gegeben. [Redemanuskript]

Für die SPD-Fraktion hat Bernd Westphal gesprochen. Er wies gleich zu Beginn darauf hin, dass er mit der bisherigen Umsetzung des BMWi nicht zufrieden ist. Der Antrag der Grünen geht ihm an vielen Stellen nicht weit genug. Er würde lieber auf eine ganzheitliche Soziale Innovationsstrategie hinarbeiten, die neben Gründern auch öffentliche und zivilgesellschaftliche Akteure berücksichtigt. In seiner Rede greift er Maßnahmen auf, die bereits realisiert wurden. [Videobeitrag]

Für die AfD-Fraktion sprach Enrico Komning. Für ihn ist der Antrag ein Zeichen dafür, wie weit entfernt die grüne Ideologie von den Bedürfnissen der Menschen ist. Eine Soziale Innovationsstrategie dient seiner Meinung nach dazu Menschen auszuschließen, die nicht in ein grünes Weltbild passen. Einer sich selbst verwirklichende Generation-Z möchte er kein sauer verdientes Steuergeld hinterherschmeißen. [Videobeitrag]

Reinhard Houben für die FDP-Fraktion zeigte Verständnis für die Frustration der Grünen bei dem Thema. Die mangelnde Umsetzung der Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag führte er auf eine allgemeine Ignoranz des Wirtschaftsministers für diese Themen zurück. Bei den Vorschlägen einer Sozialen Innovationsstrategie und Bürokratieabbau sieht er Handlungsbedarf. Bei anderen Vorschlägen aus dem Antrag der Grünen vertritt er andere Standpunkte. [Videobeitrag]

Den Redebeitrag für DIE LINKE-Fraktion hinterlegte Dr. Petra Sitte zu Protokoll. In ihrem Beitrag geht sie auf die schwierige Vereinbarkeit von Gemeinnützigkeit und Profitorientierung ein. Wichtig ist ihr, dass Soziale Innovationen auf Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und soziale Gleichheit zielen. Sie sollen das Wohl aller Menschen im Blick haben, ohne die Profitorientierung in den Vordergrund zu stellen. [Redemanuskript]

Fazit & Handlungsempfehlungen SEND

Endlich hat Social Entrepreneurship Eingang in die Debatte des Bundestags gefunden. Die Diskussion zeigt, dass sich eine Reihe der Fraktionen noch nicht intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Unbestreitbar ist, dass wir vor einer Vielzahl gesellschaftlicher Herausforderungen stehen: Klimawandel, Demografischer Wandel oder der Strukturwandel durch die digitale Transformation sind nur drei Beispiele. Eine nachhaltige Lösung dieser Herausforderungen kann nicht alleine mit den Instrumenten des letzten Jahrhunderts erfolgen. Hier braucht es neue Lösungsansätze und Akteure, die die Gestaltung einer enkeltauglichen Zukunft in das Zentrum des Handelns nehmen.

Den längst überfälligen Handlungsbedarf von politischer Seite zeigen neben den internationalen Studien [The best Coutry to be a Social Entrepreneur (2016); Thomson Reuters Foundation | Ein Überblick über Sozialunternehmen und ihre Ökosysteme in Europa, Europäische Kommission (2014); Länderbericht Deutschland(2018) als Basis für den neuen Synthesereport der EU] auch eine Reihe nationaler Studien auf. Hier können exemplarisch die vom BMWi beauftragte Studie "Herausforderungen bei der Gründung und Skalierung von Sozialunternehmen. Welche Rahmenbedingungen benötigen Social Entrepreneurs?" (2015) wie auch die Studie "Social Entrepreneurs in Deutschland: Raus aus der Nische" (2019) von KfW-Research genannt werden. Weitere Punkte haben wir bereits in unserem Statementauf die Antwort der Bundesregierung zur "Kleine Anfrage" der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Vorfeld des Antrags aufgezeigt, die deutlich macht, dass innovative Sozialunternehmer*innen auf viele Angebote klassischer Gründer*innen nicht zurückgreifen können. Neben den enormen gesellschaftlichen Mehrwerten schlummert in dem Thema auch ein großes volkswirtschaftliches Potenzial, wie die Studie von Ashoka und McKinsey "Wenn aus klein systemisch wird - Das Milliardenpotenzial Sozialer Innovationen" (2019) deutlich aufzeigt.

In vielen Ländern arbeiten Politik und Social Entrepreneurs längst Hand in Hand für die Lösung unserer gesellschaftlichen Herausforderungen. Will man diese Potenziale auch für die Bürger*innen in Deutschland heben, sind drei Schritte eine erste Basis für weitere Aktivitäten.

1. Koordination in Politik und Verwaltung

Aktuell herrscht von Seiten der Politik keine Transparenz über zuständige Ansprechpartner für die Koordinierung Sozialer Innovationen. Für eine gute Abstimmung sollten sowohl den Ministerien als auch den dortigen Mitarbeitenden die klare Zuständigkeit zugewiesen werden. Gleiches gilt für andere öffentliche Institutionen wie z.B. die KfW oder andere Förderorganisationen des Bundes. Idealerweise sollte bei einem Ministerium oder beim Kanzleramt eine Koordinierungsstelle eingerichtet werden. Auch im Deutschen Bundestag sollte eine entsprechende Struktur zur Förderung Sozialer Innovationen geschaffen werden. Dies ist Basis für die Umsetzung einer ganzheitlichen Sozialen Innovationsstrategie, die neben dem Antrag der Grünen auch in mehreren Redebeiträgen genannt wird. Wir begrüßen ausdrücklich nicht den Social Entrepreneurship Sektor für sich alleine zu sehen, sondern Innovatoren aus Zivilgesellschaft, Wohlfahrt, Wirtschaft, öffentlichen Insititutionen und Politik zu integrieren! Viele dieser Akteure kämpfen aktuell auch mit den schwierigen Rahmenbedingungen für Soziale Innovationen [Gemeinsame Positionen].

2. Finanzierung

Nur durch steigende Investitionen in wirkungsorientierte Organisationen ist die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals; SDGs) überhaupt noch möglich. Social Entrepreneurship stellt eine der geeignetsten Herangehensweisen dar (vgl. GlobeScan & SustainAbility Survey 2017), um die SDGs zu erreichen. Entgegen einiger Statements in den Redebeiträgen können Social Entrepreneurs bislang auf viele Angebote der Gründungs- und Innovationsförderung nicht zurückgreifen. Während technologische Innovationen mit einer Fokusierung auf den ökonomischen Kontext von Seiten der Politik auf breiter Basis gefördert werden, sind diese Instrumente für soziale Gründungen und Innovationen oft nicht zugänglich.

3. Gründer- und Innovationszentren

Für klassische Gründungs-/Innovationsvorhaben gibt es eine Vielzahl geförderter Gründer- und Innovationszentren. Um die Stärken der unterschiedlichen Akteure für die Gestaltung sozialer Innovationen bestmöglich zu koordinieren, ist die Schaffung von physischer Infrastruktur in Form von Begegnungs- und Experimentierräumen nötig. Dort können sich die verschiedenen Akteure miteinander vernetzen, voneinander lernen und gemeinsame Projekte realisieren. Vor Ort sollten zielgruppenspezifische Beratungsangebote angeboten werden.

Eine Reihe weiterer Handlungsempfehlungen haben wir in unserem Positionspapierzusammengefasst.

Zeit zu handeln!

Der Sektor hat die Bundesregierung nach der mehrfachen Verankerung von Sozialen Innovationen und Social Entrepreneurship gefeiert. Die Diskussion im Plenum des Bundestags zeigt deutlich auf, dass diese Vorhaben noch nicht mit dem nötigen Nachdruck angegangen wurden. Während die Regierung unserer französischen und britischen Nachbarn bereits Milliarden in den Sektor lenken, fehlt es bei uns an vielen Stellen noch an grundlegenden Punkten.

Wir bedanken uns bei Dieter Janecek und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, dass sie das Thema in den Bundestag getragen haben. Es geht bei Social Entrepreneurship und Sozialen Innovationen nicht um Parteipolitik, sondern um einen wichtigen Baustein für eine zeitgemäße Lösung unserer gesellschaftlichen Herausforderungen und somit die Gestaltung einer enkeltauglichen Zukunft. Ein Anliegen, dass allen demokratischen Parteien am Herzen liegen sollte! Wir würden begrüßen, wenn bei diesem wichtigen Thema eine fraktionsübergreifende Zusammenarbeit gelingt! Ein entschlossenes Handeln ist längst überfällig!

Dieser Artikel würde ursprünglich hier veröffentlicht.