Wirklich smarte Ziele

Warum SMARTZiele im Privatleben nichts verloren haben und was die besten Alternativen sind

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von Lorenz Illing, March 20, 2017
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ursprünglich erschienen: 08.12.2015

Die Krux an SMARTZielen

Wenn BWLer eines lieben, dann gelernte Tools immer und auf alles anzuwenden – auch privat. Man will umziehen: Dafür wird ein Project Board entworfen. Man will die Kosten eines gemeinsamen Urlaubs auseinander rechnen: Dafür wird in Excel eine Kosten Matrix erstellt. Man will abnehmen: Dafür wird ein SMARTZiel definiert. Auch wenn sich der BWLer dabei unheimlich pfiffig vorkommt, ein “spezifisches, messbares, erreichbares, relevantes und terminlich fixiertes” Ziel definiert zu haben, ist in diesem Fall leider alles andere als smart.

Schlimmer noch, SMARTZiele sind in wesentlichen Teilen verantwortlich für den altbekannten JoJo Effekt. Woran liegt das? Wie der Name schon sagt, sind SMARTZiele terminlich fixiert. Sie haben also eine Deadline oder anders ausgedrückt: Ein Ablaufdatum. Man arbeitet also lediglich auf einen bestimmten Tag hin und alle Handlungen danach werden völlig dem Zufall überlassen. Nehmen wir das Beispiel von Klaus:

Ich werde bis zum Ende des Jahres keinen Schluck Alkohol trinken.

Dieses Ziel entspricht allen Anforderungen eines smarten Ziels. Dennoch wissen wir doch alle insgeheim, was Klaus noch in der Silvesternacht machen wird, sollte er es tatsächlich schaffen bis dahin keinen Alkohol zu sich genommen zu haben. Er wird auf den errungenen Triumph anstoßen – und zwar mit einem Gläschen Champus. Genauso wie Monika, die sich mit einer Tafel Schokolade belohnt, wenn sie es geschafft hat die gewünschten vier Kilo loszuwerden.

Fazit

SMARTZiele sind was Feines für den Büroalltag und praktikabel bei expliziten Projekten. Im Privatleben geht es jedoch selten um eine Deadline sondern um Gewohnheiten, Haltungen oder Zwischenmenschliches an dem wir arbeiten möchten. Hier sind smarte Ziele nicht das richtige “Tool”.

Doch was ist die Alternative?

Schauen wir uns doch mal neben dem BWL Werkzeugkoffer den der Psychologen an. Hier wird zwischen konkreten, spezifischen Zielen und allgemeinen, abstrakten Zielen unterschieden. Auch die Psychologie sagt, je spezifischer das Ziel, desto besser ist die Zielverfolgung. Sie sagt jedoch auch, dass Identitätsziele, also eher allgemein formulierte Ziele wie “Ich lebe gesund”, viel enger mit uns verbunden und emotional viel stärker aufgeladen sind. Zudem sind sie auf Grund ihrer richtungsweisenden Art deutlich langfristiger –  manche begleiten uns unser gesamtes Leben.

Mottoziele

Eine von Maja Storch entwickelte Variante der Identitätsziele sind die sogenannten Mottoziele. Diese entsprechen, wie auch die SMARTZiele, einem bestimmten Muster und sind somit leicht selbst zu definieren. Besonders interessant ist, dass Mottoziele die Selbstbestimmtheit in den Vordergrund stellen, den Optimismus bezüglich der eigenen Ziele fördern und die Widerstandsfähigkeit bei Misserfolgen stärken.

Ein Mottoziel hat fünf Attribute:

1. Haltung

Ein Mottoziel beschreibt eine Haltung, kein Verhalten. Ein Ziel, welches sich auf eine Haltung fokussiert ist zum Beispiel: “Ich gehe selbstbestimmt, gesund und fit durchs Leben”. Dieses Ziel ist sehr stark mit der Identität der Person verknüpft und transportiert klare Werte: selbstbestimmt, gesund und fit. Zudem werden sehr viele Ebenen des Lebens gleichzeitig angesprochen. Diese Haltung hilft in unterschiedlichen Situationen. Fahre ich mit dem Fahrstuhl oder laufe ich kurz die drei Stockwerke die Treppe? Warte ich acht Minuten auf die nächste Bahn oder laufe ich kurz die zwei Haltestellen? Gehe ich heute zum Sport oder verschieb’ ich das auf morgen? Esse ich auch eine Pizza oder den Ceasar Salat? Rauche ich auch eine weil alle rauchen oder bleibe ich selbstbestimmt und lehne dankend ab? Uns begegnen täglich tausend kleine Weichen, bei denen wir uns entscheiden müssen, wie wir sie stellen.

Unsere Haltung kann uns in sehr vielen Fällen einen Tipp geben, was wir machen sollten. Im Vergleich dazu nun ein Ziel, welches sich auf ein Verhalten fokussiert: “Ich will drei mal pro Woche Sport machen.” Dieses Ziel ist sehr viel spezifischer, dennoch fehlt hier die Verbundenheit mit mir als Person. Hier ist keinerlei Identität zu spüren sondern es handelt sich lediglich um ein weiteres lästiges ToDo auf meiner eh schon so langen Liste. Zudem hilft es kein bisschen bei meinen vielen kleinen Entscheidungen, die ich täglich für oder gegen meine Selbstbestimmtheit, Gesundheit und Fitness treffen werde. Ich werde, obwohl ich vielleicht drei Mal die Woche Sport mache, weiterhin zu viel Fastfood essen, zu viel Süßkram futtern und zu viel rauchen.

2. Präsens

Der einzige Tag im Jahr an dem wir wirklich etwas ändern können, ist heute. Daher beziehen sich Mottziele, anders als viele andere Zielformen, auf die Gegenwart und werden somit im Präsens formuliert. Uns wird somit bewusst, dass wir immer im Hier und Jetzt im Sinne unseres Mottoziels handeln können. Zudem gewinnen wir noch einen ganz wichtigen Partner hinzu: Unser Unterbewusstsein. Da unser Unterbewusstsein nur die Gegenwart als Dimension kennt, können Ziele die im Futur formuliert werden, somit gar nicht im Unterbewusstsein verankert werden. Auf die Unterstützung unseres Unterbewusstseins sollten wir jedoch nicht verzichten! Zahlreiche Studien belegen, dass ein Großteil aller Entscheidungen, die wir täglich fällen, unterbewusst stattfinden.

3. Bildlich

Das alte Sprichwort bringt es auf den Punkt: “Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.” Zudem versteht das Unterbewusstsein sowieso kein Wort sondern springt nur auf Bilder und Symbole bzw. die damit verknüpften Emotionen an. Um also die volle Wirkungskraft unseres Ziels zu entfalten, ist es effektiv das eigene Mottoziel mit einem positiv aufgeladenen Bild zu verknüpfen. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt, Hauptsache das Bild hat schon von sich aus eine positive Strahlkraft auf uns. Nehmen wir an, ich liebe einen bestimmten Sport, eine bestimmte Region, den Blick auf das Meer oder ein bestimmtes Tier. Ich nehme also dieses Bild und baue es in mein Mottoziel mit ein. Nehmen wir an, der Löwe ist ein solches Bild, dann könnte das Mottoziel wie folgt heißen: “Ich schreite wie ein Löwe selbstbestimmt, gesund und fit durchs Leben.”

4. Positiv

Ein Ziel sollte immer positiv formuliert sein, sprich, uns auffordern auf etwas zuzugehen anstatt etwas zu meiden. Wenn es unser Ziel ist, Stress zu vermeiden, wäre eine passendere Formulierung, mehr Ruhe und Entspannung anzustreben. Dieser kleine aber feine Unterschied hat starke Auswirkungen auf unseren gesamten Organismus. Menschen die vermehrt Vermeidungsziele nutzen, zeigen laut Gollwitzer durchschnittlich eine “weniger gute Stimmung, erhöhte Angst, reduzierte Lebenszufriedenheit und sogar eine schwächere Gesundheit.” Doch neben diesen ganzen Nebenwirkung schneiden Vermeidungsziele auch in der Hauptdisziplin, bei der Umsetzung, schlechter ab als Annäherungsziele. Nicht ohne Grund wird auch bei der Hypnotherapie strengstens darauf geachtet, negativen Formulierungen zu vermeiden.

5. Kontrolle

Zudem sollte ein Ziel so formuliert sein, dass es in vollem Umfang in unserer Macht liegt, ob wir das Ziel erreichen können oder nicht. Hierbei geht es nicht, wie bei SMARTZielen um die Erreichbarkeit (Achievability) sondern rein um den Einfluss der eigenen Handlungen auf das Ergebnis. In der Psychologie ist dies unter anderem unter dem “Konzept der Selbstwirksamkeit” bekannt. Sich als Politiker das Ziel zu setzten, “die nächste Wahl zu gewinnen”, mag durchaus erstrebenswert sein, jedoch liegt das Erreichen dieses Ziels nicht vollumfänglich im Handlungseinfluss des Politikers. Ein voll in seiner Kontrolle liegendes Ziel könnte sein “Ich sorge mich um Einzelne in meinen Wahlkreis und verteidige laut und stark die Interessen meiner Wähler.”

Umsetzung

Um die Wirkungskraft Deines ersten Mottoziels komplett zu entfalten, empfiehlt es sich vorerst mit nur einem Mottoziel anzufangen. Nimm Dir ruhig Zeit für die Formulierung. Du darfst sie auch jederzeit anpassen und modifizieren. Hauptsache das Ziel fühlt sich gut an und entspricht Deiner gewünschten Marschrichtung. Präge es Dir ein, mach es zu Deinem persönlichen Mantra. Um Dein Mottoziel eng in Dein tägliches Leben zu integrieren, such Dir ein Bild im Internet welches super zu Deinem Mottoziel passt. Druck es aus und hänge es Dir über Deinen Arbeitsplatz, mach es zu Deinem Handy oder Deskophintergrund. Da Dir Dein Mottoziel in der Regel sehr bewusst ist, reicht das Bild, um für Dich eine sofortige Brücke zu Deinem Mottoziel zu sein. Die Anderen sehen nur einen stolzierenden Löwen, Du siehst dein Mottoziel.

Über den Autor

Lorenz Illing ist Gründer von The Lucky Push, Sparringspartner, Mentor und
PersönlichkeitsTrainer für Gründer und Leistungsträger. Seine Elemente: Gewohnheiten ändern, Systeme hinterfragen, Komforzonen verlassen, Grenzen verschieben und persönliche Träume verwirklichen.
lorenz@theluckypush.com / http://theluckypush.com