Von analog zu online – Skalieren im Zeitalter der Digitalisierung

Wie kann die Digitalisierung Skalierung vorantreiben und wo liegen dabei die Grenzen?

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von Julia Meuter, openTransfer Accelerator – Stiftung Bürgermut, November 8, 2020
Mondphasen im Zeitraffer

Header: Ganapathy Kumar via Unsplash.

Dieser Artikel ist der zweite Teil einer Reihe zum Thema Skalierung. Der erste Teil (du findest ihn hier!) ging der Frage nach, für wen wir eigentlich Skalieren und wann es wirklich Sinn macht. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Frage, wie die Digitalisierung die Skalierung vorantreiben kann und wo ihre Grenzen liegen. Die Autorin Julia Meuter leitet bei der Stiftung Bürgermut das Skalierungsstipendium openTransfer Accelerator. Der openTransfer Accelerator unterstützt Organisationen in der Skalierung. Kernstück des Programms ist ein 12-Monatiges Stipendium.

Nicht erst seit Corona ist klar, dass die Digitalisierung unsere Arbeit enorm erleichtern kann. Aber die letzten Monate haben noch einmal gezeigt, dass es keine Alternative dazu gibt, noch digitaler zu werden. Auch für die Skalierung von wirkungsvollen Angeboten bietet die Digitalisierung jede Menge Chancen. Geografische Grenzen werden aufgehoben und Angebote können theoretisch von Anfang an überall stattfinden.

Seit gut fünf Jahren begleiten wir Organisationen auf Wachstumskurs im Rahmen des openTransfer Accelerator, dem Skalierungsstipendium der Stiftung Bürgermut. Mit jedem Jahrgang hat sich die Anzahl der Organisationen, die eine digitale Lösung – oder zumindest Teillösung – anbieten, erhöht. Das Tempo der Digitalisierung hat mit Corona deutlich angezogen. Viele unserer Stipendiat*innen waren gezwungen, digitale Alternativen für ihre Angebote zu entwickeln. Anlass genug, das Thema genauer unter die Lupe zu nehmen.

Reicht es, eine Plattform aufzubauen? Welche Schritte sind notwendig, damit möglichst viele Menschen von dem Angebot profitieren? Und welche digitale Varianten gibt es eigentlich noch, um die Skalierung voranzutreiben? Im Folgenden möchte ich Antworten auf die Fragen finden und euch Tipps für eure Skalierung mitgeben.

Digitale Angebote als Lösung von gesellschaftlichen Problemen

Die Engagementplattform vostel.de vermittelt Ehrenamtliche online, auf Mundraub findet ihr eine digitale Karte auf der öffentlich zugängliche Obstbäume kartografiert sind und querstadtein plant interaktive Stadt-Touren mit einer App – viele Organisationen haben ihre Angebote bereits digitalisiert oder haben dies geplant. Das verwundert nicht, denn hieraus ergeben sich viele Chancen für Skalierungsorganisationen.

Durch die Digitalisierung können Angebote viel niederschwelliger an die Zielgruppe gebracht werden. Vostel zum Beispiel spricht vor allem solche Ehrenamtlichen an, die sich kurzfristig und zunächst einmalig engagieren möchten. Ob sie den Weg in eine klassische Ehrenamtsagentur auf sich nehmen würden, ist fraglich. Durch das Online-Angebot können sie sich leicht, mit nur ein paar Klicks informieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich engagieren ist somit höher. Die Angebote sind für Menschen in ganz Deutschland zugänglich, ohne geografische Beschränkungen. Als Interessent*in habe ich die Möglichkeit, von überall auf die Plattform zugreifen.

Allerdings zeigt sich am Beispiel von vostel.de auch eine Herausforderung von digitaler Skalierung: Denn nicht in jeder Stadt gibt es auch Engagementangebote. So verläuft so manche Suche auch im Sand. Ähnlich ist das bei Mundraub, eine Plattform, die zeigt, wo Obstbäume stehen, die jede:r abernten kann. Attraktiv wird die Plattform erst, wenn es Obstbäume im eigenen Umfeld gibt.

Es reicht also nicht, einfach nur eine digitale Plattform aufzubauen. Es braucht auch Menschen, die diese Plattform mit Leben füllen, wie zum Beispiel gemeinnützige Einrichtungen, die ihre Angebote online stellen (vostel.de) oder Menschen, die Obstbäume kartografieren (Mundraub). Vor allem braucht es Menschen, die das Angebot kennen und es nutzen. Sowohl vostel.de als auch Mundraub kombinieren deshalb digitale mit analogen Angeboten. Mundraub führt zum Beispiel mundraub-Touren durch und Vostel.de Workshops mit gemeinnützigen Organisationen in neuen Städten durch. So lernen sich die digitalen Macher*innen und potenzielle Nutzer*innen persönlich kennen und bauen Vertrauen auf. Allein digital klappt es mit der Skalierung dann also doch nicht. Erfolgreich wird sie dann, wenn sie mit analogen Angeboten kombiniert wird.

Von analog zu digital

Oben habe ich zwei Organisationen vorgestellt, die von vornherein auf ein digitales Angebot gesetzt haben und dieses mit analogen Begegnungen untermauern. Umgekehrt können aber auch analoge Angebote durch digitale unterstützt werden und dadurch die Skalierung weiter vorangebracht werden. Ein tolles Beispiel ist hierfür die Organisation querstadtein, die bereits in Berlin und Dresden erfolgreich Stadtführungen mit Geflüchteten und ehemals Obdachlosen anbieten. Um noch mehr Menschen auch in anderen Städten zu erreichen entwickeln sie momentan eine interaktive Stadttour. Diese Touren durchzuführen ist sehr aufwendig und braucht viele Ressourcen. Einen neuen Standort aufzubauen ist also nicht so einfach. Im Rahmen des Accelerator Programms hatten sie die Idee, eine App zu entwickeln, die es ihnen ermöglicht auf sehr niederschwellige Art und Weise die Touren durchzuführen. Mit Corona wuchs die Notwendigkeit, die analogen Angebote ins digitale zu bringen noch. Mit der daraus entstehenden App „Actionbound“ konnten sie relativ leicht eine Tour zusammenstellen. Zusätzlich bietet der Verein nun ein Webinar an, um die Möglichkeit zu bieten, Fragen zu stellen und sich persönlich auszutauschen. Das Besondere: die digitalen Touren kann man überall „besuchen“, man muss dazu nicht in Berlin sein. Zwar braucht es auch für die digitale Tour bzw. vor allem für das Webinar im Nachgang Ressourcen. Der Aufwand ist dennoch geringer, als wenn ein eigener Standort aufgebaut werden muss.

Digitalisierung bei der Zusammenarbeit mit Standorten

Die Skalierung kann also vorangetrieben werden, indem Angebote digitalisiert werden und somit mehr Menschen zugänglich gemacht werden. Aber auch in der Zusammenarbeit mit schon existierenden Standorten können digitale Tools helfen, Prozesse zu vereinfachen und Transparenz herzustellen. Ein Intranet oder Slack, ein Kommunikations-Tool, in dem man sich in verschiedenen Kanäle austauscht, kann trotz der geografischen Distanz persönliche Nähe schaffen: Informationen und Erfolge werden schnell geteilt und Fragen auf kurzem Wege geklärt. Digitalisierung kann außerdem helfen, Aufgaben, die sich immer wiederholen zu automatisieren und dadurch Zeit und Ressourcen zu sparen (mehr dazu hier: https://so-geht-digital.de/skalierung-und-digitalisierung/).

Vom Menschen zur Maschine und wieder zurück

Die Digitalisierung von Angeboten sowie der Zusammenarbeit mit Standorten bietet für Organisationen auf Wachstumskurs viele Vorteile. Ressourcen können gespart und Transparenz geschaffen werden, mehr Menschen werden niederschwellig erreicht. Dennoch: Es macht nicht in jedem Fall Sinn – nicht alles muss digitalisiert werden. Spätestens seit Corona kennen wir allerdings viele Tools und Möglichkeiten. Wichtig ist es, sich zunächst darüber klar zu werden, was man mit der Digitalisierung erreichen möchte. An welcher Stelle stellt es einen logischen nächsten Schritt dar und wo kann die Technologie ansetzen und helfen.

Vergesst bei euren Digitalisierungsprozessen auch nicht den Faktor „Mensch“. Der persönliche Kontakt ist und bleibt entscheidend für den Erfolg der Skalierung. Mit einer guten Mischung aus digitalen und analogen Prozessen, hat eure Skalierung besten Chancen, noch mehr zu erreichen.

Organisationen auf Wachstumskurs können sich noch bis zum 22. November für den Accelerator Jahrgang 2021 bewerben und 12 Monate Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Skalierungsstrategie erhalten. Zudem lädt der Accelerator am 26. und 27. November zum digitalen Festival der Skalierung ein. In Workshops, Diskussionsformate, Debattenrunden und vielem mehr werden Herausforderungen und Best Practices in der Skalierung diskutiert – unter Einbindung von Förder*innen und Praktiker*innen. Teilenehmende erwartet jede Menge Raum für Austausch und Vernetzung mit Gleichgesinnten und die Möglichkeit, wertvolles Wissen für ihre Arbeit mitzunehmen und Fragen zu diskutieren, die sie bewegen.