Wie das Hertie-Innovationskolleg die Zukunft der Demokratie stärkt

Evgeniya Sayko über ihr Projekt Wertediskurs mit Russland: klären, formulieren, vermitteln.

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von Anastasia Sauer, October 10, 2017
Wertediskurs mit Russland

Dieser Artikel ist Teil der Interview-Reihe über die Kollegiat*innen des Hertie-Innovationskollegs, welches unter dem Leitthema „Demokratie stärken“ unterschiedliche Projekte fördert. Dr. Evgeniya Sayko ist seit April 2017 Kollegiatin des HIK und verfolgt seitdem ihr Projekt unter dem Themenfeld "Zukunft der Demokratie" – Wertediskurs mit Russland: klären, formulieren, vermitteln. Vor dem HIK Jahr arbeitete die promovierte Kulturwissenschaftlerin an mehreren deutsch-russischen Austauschprojekten und betreute das Osteuropajournalistenprogramm der IJP.

Was willst du mit deinem Projekt „Wertediskurs mit Russland: klären, formulieren, vermitteln“ erreichen?

Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit deutsch-russischer Zusammenarbeit. In den letzten zwei bis drei Jahren ist mir aufgefallen, dass das Thema Werte sehr konfliktgeladen ist. Manche versuchen das Thema sogar schlichtweg zu ignorieren. In Russland wächst gerade die Stimmung in die Richtung: „Wir brauchen eure europäischen Werte nicht“. Ich möchte die Gründe und die Schwierigkeiten der Kommunikation über die Werte analysieren und verstehen. Dafür mache ich Interviews mit Vertretern des Diskurses, Politikern und Wissenschaftlern.

Wieso gerade "klären, formulieren, vermitteln"? Was hat es damit auf sich?

Klären, da ich zunächst eine Bestandsaufnahme der aktuellen Missverständnisse und Schwierigkeiten in der Kommunikation vornehme. Es geht darum, zu verstehen ob Russen und Deutsche das gleiche meinen, wenn sie Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte, Freiheit und Zivilgesellschaft hören oder verwenden.

Formulieren, da ich die Werteorientierungen und Tendenzen in der russischen Gesellschaft heute festhalten will. Was sind eigentlich die Werte der Russen?

Und Vermitteln, weil ich Wege finden möchte, über Wertevorstellungen Deutscher und Russen zu reden sowie sich über Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Verständnis abstrakter und komplexer Begriffe konstruktiv auszutauschen.

Das Vermitteln klingt nach einer echten Herausforderung. Hast du schon eine Idee wie das aussehen soll?

Ich möchte die Entwicklung eines anderen Formats angehen, um über diese konfliktgeladenen Themen sprechen zu können. Das Format soll nicht so ernst gestaltet sein wie Konferenzen oder andere Begegnungen, sondern es soll das Thema auf eine lockere und humorvolle Art aufgreifen – wie z.B. ein Science Slam. Ich organisiere schon seit Jahren Science Slams in Russland und coache dabei auch die Slammer. Im Rahmen des Projektjahres will ich das Werteproblem analysieren und dabei wirklich in die Tiefe gehen, damit ich es schaffe das neue Format umzusetzen.

Science Slam Russia

Foto von Evgeniy Leonenko

Ich will im Dezember ein Experiment hier in Berlin durchführen und junge Russen und Deutsche zu einem gemeinsamen Workshop einladen. Dieser soll dazu dienen, das Verständnis füreinander zu fördern und die Kommunikationsschwierigkeiten zu verringern. Vermitteln ist ein wichtiger Teil meiner Projektarbeit und ich verstehe es im Sinne von „Ich versuche zu vermitteln, was ich eigentlich meine“, da bei den unterschiedlichen Kulturen die gleichen Wörter zum Teil mit unterschiedlichen Inhalten besetzt sind. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass solche Wörter wie Demokratie, Zivilgesellschaft, Menschenrechte oder Toleranz zum Teil unterschiedlich verstanden werden.

In welchem Stadium war dein Projekt zu Beginn deines Kollegiats?

Es gab nur eine Idee und ich habe zufällig von dem Programm des Hertie-Innovationskollegs erfahren. Vorher habe ich mich für die Förderung schon ein wenig wissenschaftlich mit der Thematik auseinandergesetzt. Allerdings ist der Reifegrad der Projekte des HIKs sehr unterschiedlich, manche beschäftigen sich schon seit zehn Jahren mit ihren Themen.

Bist du froh, dass du dein Projekt im Rahmen des Hertie-Innovationskollegs umsetzt?

Ja, denn das ganze HIK ist eine großartige Chance seine eigene Idee zu verwirklichen. Man bekommt ein ganzes Paket an Unterstützungsmaßnahmen  natürlich finanziell durch Projektmittel, aber auch ein schönes Büro zum Arbeiten, und insbesondere Zeit, die man sich für die eigene Idee nehmen kann. Außerdem arbeitet man in einem grandiosen Team, wobei drei Mitarbeitende des HIKs mit unterschiedlichen Kompetenzen für Fragen zur Verfügung stehen. Alle Kollegiat*innen haben einen Betreuer, der einen auch inhaltlich super unterstützt. Das ganze Angebot der Workshops, Seminare und Trainings ist auch eine große Bereicherung. Diese Workshops geben uns so viele Werkzeuge an die Hand, wie Fundraising, strategische Kommunikation mit Stakeholdern oder wie man eine Diskussion moderiert.

Denkst du, dass du in dieser Zeit schon etwas erreicht oder verändert hast?

Sechs Monate sind schon um und ich habe das Gefühl, dass ich jetzt tief im Thema stecke. Das Verständnis ist jetzt ein ganz anderes als zu Beginn des Kollegjahres. Ich bin bereits zwei Mal nach Russland gereist und habe eine Vielzahl von Vertreter und Entscheider interviewt, was mich sehr weitergebracht hat. Ich genieße es, in dieser Zeit so intensiv arbeiten zu können.

Das Kollegiatenteam ist wirklich toll und divers. Wir ergänzen uns sehr gut und das Feedback von Kollegiat*innen und Mitarbeitenden ist sehr nützlich und bringt mich weiter. Wir stehen im ständigen Austausch zueinander, was sehr motivierend ist und es gibt ein Meeting aller Kollegiat*innen, welches alle zwei Wochen stattfindet.

Was sind überhaupt innovative Projekte? Wir Kollegiaten sehen Bedarf für eine Veränderung zu welcher es allerdings noch keine Nachfrage gibt. Es gibt keinen vorgegebenen Weg, es gibt nur die Richtung. Um diese Veränderung durchzusetzen, braucht man viel Mut, Energie und Durchsetzungskraft.

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