Weiterbildung für Nachhaltigkeit

Wie lernt (und lehrt) man, was Change Agents für Nachhaltigkeit können müssen?

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von Benjamin Nölting, Britta Kunze, Jens Pape, January 9, 2017
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ursprünglich erschienen: 03.08.2016

Wir brauchen eine nachhaltigere Wirtschaftsweise und andere Formen gesellschaftlicher Entwicklung. Das ist klar. Aber wie lässt sich das umsetzen – und vor allem, wer soll das machen?

Change Agents sollen noch ungenutzte Spielräume nutzen und erweitern, um ihre Organisationen in Sachen Nachhaltigkeit neu zu positionieren. Das gilt für Unternehmen wie auch für Non-Profit-Organisationen. Dafür müssen Change Agents Innovations- und Lernprozesse in ihren Organisationen anstoßen, neue Entwicklungspfade entdecken und robuste Nachhaltigkeitsstrategien formulieren. Für deren Umsetzung sind Managementkonzepte und -methoden, Führung und Prozesskompetenz gefragt, denn Veränderungsprozesse lösen oftmals Ängste aus und rufen Wiederstände hervor. Es gilt, die Stakeholder mitzunehmen, Netzwerke aufzubauen, Konflikte konstruktiv zu wenden und Mitstreiter*innen zu motivieren. Kurz: Change Agents helfen mit, ihre Organisation umzukrempeln und sie in Sachen Nachhaltigkeit neu zu positionieren. 

Das ist ein anspruchsvoller Job! Kann man das lernen? Wo wäre ein guter Ort dafür?

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Hochschulen sind gut in der theoretischen, fachlichen und methodischen Ausbildung. So gibt es bereits eine ganze Reihe an Studienangeboten zum Thema „Nachhaltigkeitsmanagement“. Ihre Zahl ist in den letzten Jahren erkennbar gestiegen. Neue MBA-Studiengänge setzen verstärkt auf Nachhaltigkeitsthemen. Diese Entwicklung spiegelt ein steigendes Interesse der Studierenden an breit gefächerten Problemlösungskompetenzen wider und entspricht vermutlich auch der gestiegenen Nachfrage seitens der Unternehmen. 

Für das Nachhaltigkeitsmanagement gibt es neben dem berufsbegleitenden Weiterbildungsangebot „Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“ an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde z. B. einen einschlägigen Vollzeitstudiengang an der Universität Oldenburg (MA Sustainability Economics and Management).

Berufsbegleitende Angebote machen zudem die Leuphana Universität Lüneburg (MBA Sustainability Management), die Steinbeis University Berlin (MA Responsible Management), die Fernuniversität Hagen (Master Interdisziplinäres Fernstudium Umweltwissenschaften), die Katholische Universität Eichstädt (MA Ethical Management), die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (MA Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement) oder die Ostfalia HaW (MBA Umwelt- und Qualitätsmanagement).

Allein mit mehr Studiengängen ist es nicht getan, denn nur Theorien und Methoden reichen nicht aus, um das anspruchsvolle Aufgabenprofil ausfüllen zu können. Nachhaltigkeitsmanagement für Change Agents lässt sich nicht nach dem Lehrbuch erlernen und dann routinemäßig abarbeiten. Vielmehr ist eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Möglichkeiten und Voraussetzungen des Unternehmens (oder der Non-Profit-Organisation), dem spezifischen Kontext, den Anforderungen der Branche und der Stakeholder gefordert, um eine passfähige Strategie zu entwickeln und umzusetzen. Hier braucht es Gestaltungskompetenzen für Nachhaltigkeit. 

Und bei deren Vermittlung müssen Hochschulen neue Wege einschlagen: 

  • Sie müssen interdisziplinär unterrichten, weil ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Aspekte zusammengedacht werden müssen.
  • Sie müssen Wissen, Expertise und Erfahrungen aus Theorie und Praxis zusammenführen, denn Nachhaltigkeitsinnovationen lassen sich nicht (allein) wissenschaftlich herleiten. Vielmehr sollte eine passgenaue Entwicklung und Umsetzung von Lösungen im Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis stattfinden, wenn sie sich in der Lebenswelt bewähren soll.
  • Um dies zu trainieren, sollten sie die reale Welt in die Hochschule holen (zum Beispiel anhand von Projektwerkstätten) oder noch besser in die Welt hinausgehen (forschendes Lernen), um wirkliche Fragen zu stellen und Probleme zu bearbeiten.
  • Sie sollten methodisch-analytisches Wissen mit Erfahrungs- und Praxiswissen verbinden, sowie Emotionen und ethische Überlegungen als wichtige Herausforderungen für Change Agents in die Lehre einbeziehen.
  • Dafür sollten personale Kompetenzen wie Selbstreflexion, Selbstständigkeit,  Rollenwechsel und Empathie, sowie Teamfähigkeit vermittelt und geübt werden.

Weiterbildung an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde

Im berufsbegleitenden Weiterbildungsangebot „Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“ (Zertifikatskurse | Master of Arts) an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde nahe Berlin bilden genau diese Punkte das Gerüst des Lehr-Lern-Konzepts.

Erstens wird ein enger Praxisbezug durch einen hochkarätigen Praxisbeirat mit Nachhaltigkeitsprofis aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Verbänden sichergestellt, darunter z.B. Prof. Dr. Johannes Merck, Leiter der CR-Abteilung der Otto Group oder Dr. Maja Göpel, Leiterin des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Der 20-köpfige Beirat hat das Weiterbildungsangebot über zwei Jahre mitkonzipiert und viele Mitglieder setzen das Konzept jetzt als Dozierende um. Tandems aus einem*r Wissenschaftler*in und einem*r Praxisexpert*in übernehmen gemeinsam die Modulverantwortung. Ein enger Praxisbezug ergibt sich durch das Nachhaltigkeitsprojekt, das die Studierenden über drei Semester hinweg bearbeiten, um theoretische Konzepte zu erproben und Erfahrungen mit komplexen Nachhaltigkeitsprozessen zu sammeln, die systematisch ausgewertet werden.

Zweitens ist ein hoher Problemlösungsbezug zentral für den Erfolg berufsbegleitender Weiterbildung. Daher stehen Themen und Fragen aus dem Berufsalltag der Studierenden im Mittelpunkt. Die Präsenzphasen sind als Ideenlabor konzipiert, in dem die Teilnehmer*innen ihre Fragen zum Nachhaltigkeitsmanagement aus dem Alltag einbringen. Gemeinsam mit den Dozierenden aus Wissenschaft und Praxis entwickeln sie Lösungsansätze und bewerten diese.

Drittens wird die Persönlichkeitsentwicklung gefördert. Denn viele Entscheidungen im Nachhaltigkeitsmanagement lassen sich nicht rein wissenschaftlich ableiten, sondern erfordern meist auch eine normativ-ethische Begründung. Letzteres wird in die (Selbst-)Reflexion, Diskussions-, Abwägungs- und Lernprozesse explizit mit aufgenommen und thematisiert. Dabei wird der Umgang mit Dilemmata und Risiken, die für Nachhaltigkeitslösungen typisch sind, trainiert. Dazu gehört auch eine ethische Reflexion über Werte und Menschenbilder sowie über Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme. Die Studierenden nehmen verschiedene Perspektiven ein oder üben in Rollenspielen, mit Dilemmasituationen umzugehen. Diese Übungen werden im Kontext nachhaltiger Entwicklung ausgewertet und wissenschaftlich reflektiert. Denn wo könnten solche Kompetenzen trainiert und deren Voraussetzungen und Wirkung besser diskutiert und reflektiert werden als an der Hochschule, die wissenschaftliche Ansätze dafür heranziehen kann? 

Anhand von zwei Beispielen aus dem Master Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement lässt sich illustrieren, wie das konkret aussieht:

  • Im ersten Semester stellen die Teilnehmer*innen im Modul 1 „Kartierung von Nachhaltigkeit“ ihr Wissen zur Nachhaltigkeit zusammen. Auf einer großen Wand strukturieren sie es, setzen es zueinander in Bezug und vergegenwärtigen sich Lücken und Nicht-Wissen. Das Ergebnis ist eine Wissenslandkarte, die mit einem erläuternden Text untersetzt wird. Diese Karte dient sowohl der Erfassung von und Kommunikation über das vorhandene und neu erworbene Wissen und als auch dem Wissensmanagement im weiteren Studienverlauf. Neue Erkenntnisse lassen sich der Karte zuordnen.
  • Im letzten Semester halten die Studierenden im Modul 7 „Reflexion: Nachhaltigkeit als Prozess“ Rückschau auf ihr Studium. Sie formulieren ein idealtypisches Kompetenzprofil für Nachhaltigkeitsmanager*innen. Dabei tragen sie Teilkompetenzen aus sehr verschiedenen Feldern zusammen und verknüpfen diese zu einem stimmigen Profil, das den Herausforderungen an Change Agents gerecht werden kann. Dieses Kompetenzprofil fasst theoretisches und empirisches Wissen, Erfahrungen und Kompetenzen aus dem Studium – und der beruflichen Praxis – zusammen. Die Studierenden erheben anhand des Kompetenzprofils ihr individuelles Profil und überlegen, in welche Richtung sie sich (persönlich) weiterentwickeln wollen. Auf diese Weise reflektieren sie ihre erworbene Kompetenzen und ihren persönlichen Lernprozess, der weit über das Ansammeln von Wissen hinausgeht. 

 

Über die Autoren

Dr. Benjamin Nölting | Studiengangsleiter Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement (M.A.)

Britta Kunze | Koordinatorin Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement (M.A.)

Prof. Dr. Jens Pape | Stellvertretender Studiengangsleiter und Dekan des Fachbereichs Landschaftsnutzung und Naturschutz

Mehr Infos unter:

Studiengangsseite: www.hnee.de/snm

Blog Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement: www.snm-hnee.de

Ende September starten unsere neuen Zertifikatskure M4 Entwicklung und M5 Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie.

Alles Fotos © Ulrich Wessoleck