Wie ist es wirklich für ein Sozialunternehmen zu arbeiten?

So läuft der Wechsel aus einer E-Commerce Agentur in den Social Business Bereich. Ein Erfahrungsbericht.

SHARE
by Anna Kümmel, February 9, 2017
wechsel-ins-sozialunternehmen

ursprünglich erschienen: 25.04.2016

Anna Kümmel berichtet von Ihren ersten Eindrücken.

Der Wechsel in den sozialen Sektor ist vollbracht (wie ich letzten Monat bereits berichtet habe), was sind die Eindrücke, die ich in den letzten zwei Monaten gewonnen habe? Was ist anders in einem Sozialunternehmen? Worin unterscheidet sich dieser Job von der Arbeit in einem klassischen Betrieb? Was bleibt gleich? Und alles, was ihr sonst noch wissen solltet.

Meine tägliche Arbeit bleibt ähnlich

In meiner Position als Projektmanagerin bei der wellcome gGmbH arbeite ich an der Erstellung eines Onlineportals für Eltern mit. 

Ich steuere alle Maßnahmen zur Umsetzung des Projekts. Das beinhaltet die Kommunikation mit der Agentur, der internen Redaktion, der Geschäftsführerin und mit zukünftigen Projektpartnern. 

Mails, Telefonate, Meetings. Diesbezüglich hat sich nichts geändert. Mein Wechsel besteht nicht in er operativen Tätigkeit, ich bleibe in einer organisatorischen Rolle. Auch in Sozialunternehmen gibt und braucht es Managementpositionen.

Notiz: Wer nicht nur die Branche wechseln, sondern sich auch gänzlich vom Büroleben verabschieden möchte, sollte nicht nur das Unternehmensprofil, sondern auch die Stellenbeschreibung genau lesen. Sonst arbeitest Du zwar für Dein neues Traumunternehmen, aber wieder in den altbekannten Abläufen.

In meinem Fall fühlt sich die Arbeit trotz bekannter Strukturen aber anders an. 

Eine andere Definition von Erfolg

Das Ziel, mit dem ich die alltägliche Arbeit verrichte, ist ein anderes. In den meisten klassischen Unternehmen ist die Umsatzsteigerung das Maß aller Dinge. Klassische Marketingkennzahlen wie Leads, Conversions und Reichweite werden in Bezug zum finanziellen Wachstum des Unternehmens gesetzt. Mehr Umsatz = mehr Erfolg. 

Auch in sozialen Unternehmen werden Kennzahlen gemessen und Auswertungen gefahren. Wer glaubt, dass im sozialen Bereich nur idealistisch darauf los gearbeitet wird ohne Controlling und Strategie, der ist nicht auf dem neuesten Stand. Die meisten Fördertöpfe und Finanzierungen erhält nur, wer lückenlos seine Effizienz beweisen kann. Aber die Relation ist eine andere. Hier gilt mehr Wirkung = mehr Erfolg. Alle Kennzahlen dienen dazu, zu prüfen, ob das Unternehmen seinem gesellschaftlichen Anspruch gerecht wird: Wie erreiche ich meine Zielgruppe und wie leiste ich die beste Hilfe? Diese Wirkungsmessung ist herausfordernder als der Vergleich von Umsatzzahlen. Erfolg wird zu einer komplexen Größe, deren Zusammensetzung sich mit dem ihrem Umfeld verändert.

Ein anderes Verhältnis zu Geld

Geld ist in Sozialunternehmen kein Ziel, sondern ein Mittel zum Zweck. Es ist sozusagen eine notwendige Bedingung, um die angestrebte soziale Verbesserung zu erreichen. Das ist für mich spannend zu erleben, weil es die unternehmerische Logik umdreht. Die Frage lautet nun: „Wie schaffen wir es, gute Leistung zu erbringen und trotzdem von unserer Zielgruppe so wenig Geld, wie möglich zu fordern?“. Anstelle von: „Wie schaffen wir es, dass unsere Zielgruppe bereit ist, uns möglichst viel Geld für unsere Leistung zu bezahlen?“

Notiz: Es ist für jeden, der in den sozialen Bereich wechseln möchte, wichtig, sich zu fragen, ob diese andere Definition von Erfolg zu seinen Vorstellungen passt. Kann und will ich so arbeiten? Liegt mir diese Denkweise? Bin ich bereit, meine Existenzberechtigung in aufwendigen Wirkungsmessungen darzulegen?

Gleichgesinnte treffen

Nicht nur bei meiner Arbeit bei wellcome, auch als Teil des ersten On Purpose Berlin Jahrgangs, lerne ich viele Menschen kennen, die ein ähnliches Ziel verfolgen. Ich treffe viele Personen, die in ihrem Leben bewusst einen Umweg genommen haben. Die sich intensiv damit auseinandergesetzt haben, was sie arbeiten möchten und wie. Es sind nicht einfach die idealistischen Weltverbesserer, es sind vielmehr Menschen, die einen Beitrag dazu liefern möchten, dass positive Veränderung stattfindet. 

Viele sind dafür bereit, auf mehr Einkommen zu verzichten – weil ihnen die Arbeit für eine gute Sache wichtiger ist. Auch auf persönlicher Ebene gibt es in der sozialen Branche eine andere Definition von Erfolg.

Über die Autorin

Anna Kümmel

Anna Kümmel ist Associate bei On Purpose Berlin, einem einjährigen Leadership-Programm für soziales Unternehmertum. Anna hat Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert und als Marketing-Managerin in einer E-Commerce Agentur gearbeitet.