20 Einheimische, 20 Ankommer, ein Sharehaus

Sven Lager ist Teil der womöglich diversesten WG in ganz Berlin. Lerne das Sharehaus Refugio und seine Bewohner kennen.

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von Sascha Knoch, March 22, 2017
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ursprünglich erschienen: 22.03.2016

Berliner Wohngemeinschaften gibt es eine ganze Menge und wir wissen ganz genau - natürlich auch aus eigener Erfahrung - wie verrückt und divers es dort so zugehen kann. Trotzdem toppt Ankommer Gewinner Refugio die Verrücktheit einer "normalen Berliner" WG, mit ihrem Sharehaus Projekt bei weitem. Vom großen Traum, verrücktem Idealismus, und einer echt starken Gemeinschaft, erzählt uns Sven Lager.

Sven Lager

Wofür setzt sich Refugio Berlin ein und wie packt ihr das an?

Wir setzen uns für eine starke Gemeinschaft und eine göttliche Menschlichkeit ein, also in jedem Menschen ohne Ausnahme einen hohen Wert zu sehen und damit die wichtigen Talente und Fähigkeiten zu fördern. Diese Herzenshaltung macht auch aus jedem Geflohenen wieder einen Menschen. Und so leben wir auf 5 Stockwerken zusammen in privaten Zimmern mit Gemeinschaftsküchen, und wir arbeiten zusammen daran, dass es bald mehr Refugios gibt, damit kein Mensch, weder Geflüchtete, Ältere, Außenseiter, Jugendliche, am Rand der Gesellschaft steht, damit keiner dieser Menschen in einem Heim oder isoliert leben muss.

  • 20 Einheimische
  • 20 Ankommer
  • ein Sharehaus

Was macht Refugio aus?

Die Anerkennung und Wertschätzung. Lerne ich von meinem Nachbarn Mahmoud, der sich als Somali in einem Heim, einen Job als Gabelstapler besorgt hat und dann zu uns zog. Der ist genauso wichtig für die Gemeinschaft wie Baschar, der mit dem Lastenrad syrische Linsensuppe im Park verkaufen will oder wie Mareike, die die Schule abgebrochen hat und erstmal hier etwas mitaufbaut. Es ist egal, ob Ankommer oder Einheimischer. Wir sind alle gleich wichtig, diese Welt zu einer besseren zu machen.

Wie gestaltet sich ein typischer gemeinsamer Tag im Sharehaus?

Wir treffen uns im Café, im Büro, auf der Dachterrasse oder im Saal, planen, beraten uns, oder fliegen aus in die Welt zu Sprachkursen, zur Uni, oder unseren Jobs und finden uns wieder in den Etagenküchen oder bei gemeinsamen Veranstaltungen. Manchmal will jemand eine Führung und wundert sich, dass wir nicht alle in einer Küche sitzen und diskutieren, sondern jeder viel unterwegs ist. Oder sogar darüber, wie viele im Haus, als Ankommer, in den Notaufnahmen und Obdachlosenunterkünften aushelfen.

Wie funktioniert das Zusammenleben?

Wie in einer Studenten WG. Man kocht zusammen, ignoriert Putzpläne, redet viel, und trifft sogar um 4 Uhr noch jemanden an, der auch nicht schlafen kann, gerade nach Hause kommt oder zur Arbeit geht. Am Ende zählt aber, wie man sich persönlich befreundet und verbunden fühlt. Das geht ganz gut, ganz gleich welche Kultur, Religion oder Altersgruppe man angehört. Diskussionen auf WhatsApp dagegen sind immer irgendwie „lost in translation“, weil nicht alle dieselbe Sprache sprechen, selbst wenn es Englisch ist.

Ihr stellt euch die Frage auf eurer Homepage selbst: Was nützt dem Projekt und den Menschen darin?

Muss man sich immer ehrlich fragen: Kommt der einzelne Mensch weiter in seinem Leben und lebt er erfüllter? Macht das Projekt Refugio Schule und wohnt in 3 Jahren kein Ankommer mehr im Heim oder in der Notaufnahme? Wohnt überhaupt kein Mensch mehr isoliert und einsam?

Wie kann ich das Projekt unterstützen?

Es ist wie bei einer Fackel. Man muss sich für etwas entflammen können, sei es eine WG mit Ankommern zu gründen, ein eigenes Refugio zu leiten oder überhaupt Menschen Würde zu geben - also Zuflucht, Gemeinschaft und Erneuerung. Wer das gerne machen möchte, den unterstützen wir. Und wer erstmal unser Feuer heller scheinen lassen will, kann gerne Geld spenden, egal wie viel. So geht die Flamme nicht aus, denn bisher arbeiten wir nur mit Spenden.

Was habt ihr über euch, über die Geflüchteten und ganz allgemein durch eure Arbeit gelernt?

Oh, so unglaublich viel! Einmal Demut. Menschen, die fliehen mussten, sind so zart und stark, und so bescheiden. Das ist wahre Größe. Wir lernen Mensch sein. Wir lernen zuhören, denn unsere Geschichten könnten nicht wilder und unterschiedlicher sein. Wir lernen auch ein Herzenswissen, dass jeder Mensch wichtig ist. Ganz schnell wurde klar, dass wir Menschen, ob geflohen oder nicht, einladen müssen, diese Gesellschaft neu zu bauen und gerechter für alle zu machen. Wenn wir das ohne Rückhalt tun, dann wachsen diese Menschen, die wir für ein Problem oder Sorgenkinder gehalten haben, über sich hinaus und sind Helden.