Wie du mit gendersensibler Sprache die richtigen Talente anlockst

Diese Recruitment Tipps von Fairlanguage Mitgründer*in Tizia helfen dir, das perfekte Matching für ein inklusives und diverses Team zu sichern.

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by Tizia Macia, January 9, 2019
Deine Stellenanzeigen müssen ziehen

Stellenanzeigen sind dein erster Schritt dazu, den richtigen Talentpool in deinem Unternehmen zusammenzustellen. Das ist nicht neu, muss aber immer und immer wieder wiederholt werden: Diversität ist heutzutage Trumpf! Und das nicht nur in der “Kreativbranche”.

Homogene Teams haben zwar womöglich weniger Abstimmungsprozesse, allerdings sind das vielleicht nicht die Menschen, die genau zum richtigen Zeitpunkt die Impulse liefern, die dein Unternehmen weiterbringen.

Und das erste Tor für die top-qualifizierten, genau passenden Kandidat_innen sind nunmal die Stellenanzeigen. Es ist nur schwer messbar, wieviele passende Menschen tatsächlich schon durch sorglose Gestaltung von Stellenanzeigen von einer Bewerbung absehen. Denn alle Arbeitnehmer_innen wollen letztendlich dasselbe: sich bei ihrer Arbeit wohlfühlen, lernen und inspiriert werden und wirksam sein.

Arbeitgeber_innen profitieren davon letztendlich ja auch: Motivierte Mitarbeiter_innen lassen den Umsatz steigen und schaffen ein angenehmes Arbeitsklima.

Was ist wichtig, wenn du Stellenanzeigen formulierst?

Hier unterscheide ich zwei Ebenen: Zum einen die der Wortwahl und des Inhalts und zum anderen die der Ansprache bzw. des Jobtitels.

Beide Ebenen haben letztendlich die Aufgabe eine Identifikation mit dem Unternehmen bzw. dem ausgeschriebenen Job herzustellen. Wenn ich mich mit einer Anzeige identifizieren kann, dann ist die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, dass ich dort Zufriedenheit in meiner Arbeit finde -  also habe ich mehr Lust, mich zu bewerben.

1. Inhalt/ Wortwahl

Stellenanzeigen dienen in erster Linie dazu, Informationen zu vermitteln? Viele Unternehmen könnten den Fokus dabei deutlich mehr auf eine ausgeglichene Mischung zwischen instrumentellen und symbolischen Inhalten legen.

Das heißt, dass Inhalte, die allein auf die Fakten der vakanten Stelle abzielen, zwar auch wichtig sind, aber symbolische Inhalte zu dem Unternehmen und der Selbst-Vorstellung sehr wichtig sind für ein erfolgreiches Matching. 9 symbolische Aussagen sollen optimalerweise in einer Anzeige inkludiert werden, sagen Nolan u.a. (2013).¹

Insbesondere Frauen sprechen besser auf eine emotionale Identifikation an, Anforderungen schrecken sie eher ab, da ihre Selbsteinschätzung im Schnitt geringer ausfällt.

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Das alles hilft allerdings nicht, wenn die Wortwahl nicht stimmt. In umfassenden Untersuchungen wurde die verschiedene Wirkung von ‘männlich gecodeter’ und ‘weiblich gecodeter’ Sprache auf Testpersonen untersucht.  

In diese Kategorien fallen Begriffe und Phrasen, die häufiger von einem der Geschlechter verwendet werden, welche, die Stereotypen entspringen, und solche, die typischerweise in entsprechend zuzuordnenden Personenbeschreibungen zu finden sind.

Männlich konnotierte Wörter sind solche, die auf ein Herausstehen hinweisen (wie z.B. einzigartig, besonders, etc.), die auf Konkurrenz und Wettkampf abzielen (z.B. herausfordern, gewinnen, dominierend, Führung, etc.) und die stark rational geprägt sind (z.B. analytisch). Weiblicher Code drückt sich durch kommunalen, emotionalen und gemeinschaftlichen Charakter des Vokabulars aus.

Das Resultat: Frauen lassen sich durch männliche Sprache schnell abschrecken.

Was ist aber, wenn genau dieser Mensch, optimal dein Unternehmen ergänzt hätte?²

Und von Menschen jenseits des binären Systems wird in dieser Studie noch nicht mal gesprochen.

2. Ansprache/Jobtitel

Wortwahl und Inhalt ist wichtig. Aber das kann noch gesteigert werden: Eine starke Identifikationsgrundlage bilden die Titel der Anzeigen. Häufig sind sie außerdem das erste, was potenzielle Bewerber_innen sehen.

Nicht nur der gesamte Jobtitel, sondern die ersten drei Wörter können darüber bestimmen, wie viel Erfolg eine Stellenanzeige hat, viele geeignete Bewerber_innen anzuziehen.

Dabei muss auch mit eingerechnet werden, dass die Motivation für eine Arbeitsstelle bedeutend sinkt, wenn Frauen sich durch gender-exklusive Ansprache nicht angesprochen fühlen. In Bewerbungsgesprächen sahen sie zunehmend von einem Jobantritt ab, wenn sie immer nur in der exklusiven Form angesprochen wurden. Ihnen wurde die Identifikationsgrundlage entzogen.³

Warum sollte das mit Stellenanzeigen anders sein?

Eben! Hinzu kommt sogar noch: Wir haben es im Schriftlichen mit einer sehr konzentrierten Form von Inhalten zu tun. Mimik, Gestik, Körpersprache - das fällt alles weg. Selbst Bildsprache transportiert zu wenig Informationen.

Deswegen ist es wichtig, die Ansprache mit im Blick zu haben.

Fühlen sich Menschen möglicherweise exkludiert? Ist mein Jobtitel im generischen Maskulinum und dadurch weniger interessant für Frauen und weitere Geschlechter?

Achtsamer Umgang mit der eigenen Sprache und eigenen unbewussten Vorurteilen und Annahmen sind wichtig, wenn es darum geht, die wichtigste Ressource des Unternehmens zu pflegen: die Menschen.

Gendersensible Sprache kann bedeutend dazu beitragen, ungleiche Geschlechterverhältnisse auszugleichen. Was auf lange Sicht dein Unternehmen weiterbringen wird.

Wie geht das konkret?

Ich habe dir hier eine Checkliste zusammengestellt, mit der du deine Anzeigen nochmal scannen kannst, bevor du sie veröffentlichst:

  1. Hast du genug symbolische Inhalte, damit auch eine emotionale Identifikation möglich ist? Optimal sind 9.
  2. Wie formulierst du die Anforderungen? Frauen bewerben sich erst, wenn sie 100% der Anforderungen erfüllen. Männer bei 60%. Achte auf die Länge und lass Nice-to-Haves raus, denn vieles kann man lernen.
  3. Welche Sprachfärbung hat deine Anzeige? Sprichst du von einem “herausfordernden Umfeld, in dem sich die Führung behaupten muss” oder von “familiären Teams mit Entwicklungsmöglichkeiten sozialer Fähigkeiten”? Die Codes sitzen häufig unbewusst und sehr tief - schreck nicht die Hälfte der Talente ab!*
  4. Nutzt der Jobtitel sein volles Potenzial? Ist er konkret und inklusiv? “Informatiker (m/w/d)” sind zwar rechtlich (vermutlich) abgesichert, aber wirken durch das generische Maskulinum dennoch exklusiv und demotivierend.
  5. Achte auch im folgenden Text auf konsistente Anrede aller Menschen!
  6. Habt ihr noch Fragen oder Unklarheiten? Wir bei Fairlanguage freuen uns immer über konkrete Nachfragen und bieten gerne unseren Support an. Auf unserer Website gibts auch Ressourcen wie unseren Newsletter und Gendern-Guide oder unseren Website-Check, um tiefer ins Thema einzusteigen.

*Beispiele für männliche Codes sind: Herausforderungen, Expertise, Trumpf, Kompetenz, Führung, Stärke, bestens, erfolgreich, exklusiv, Kämpfer(_innen), Anforderungen, hochqualifiziert, erfahren, hervorragend, entscheiden etc.

*P.S.: Männer fühlen sich von weiblichen Codes übrigens nicht abgeschreckt!

Kurzum - für Personaler_innen, die alle Mittel ausnutzen wollen, ihr Unternehmen zum Erfolg zu führen, ist ein gendersensibles Formulieren ihrer Anzeigen Pflicht!

Autor_in:

Tizia ist Mitgründer_in bei Fairlanguage. Dort baut sie mit anderen sprach-begeisterten Menschen ein Unternehmen auf, dass es Unternehmen und Privatpersonen stark vereinfachen soll, gendersensible Sprache in ihren Alltag zu inkludieren. Wichtig ist ihnen dabei ein umfassender Ansatz: Workshops und Beratung schaffen die innere Kultur, Analyse und Lektorat der Kommunikation tragen sie nach Außen. Und um das ganze langfristig zu verankern, bieten sie Software an, die während des normalen Schreibens Hinweise liefert.

Quellen:

¹ Nolan, Kevin P, Madlen Gohlke, Jasmine Gilmore, und Ryan Rosiello. 2013. „Examining How Corporations Use Online Job Ads to Communicate Employer Brand Image Information“. Corporate Reputation Review 16 (4): 300–312. https://doi.org/10.1057/crr.2013.19.

² Gaucher, Danielle, Justin Friesen, und Aaron C. Kay. 2011. „Evidence That Gendered Wording in Job Advertisements Exists and Sustains Gender Inequality.“ Journal of Personality and Social Psychology 101 (1): 109–28. https://doi.org/10.1037/a0022530.

³ Stout, Jane G., und Nilanjana Dasgupta. 2011. „When He Doesn’t Mean You : Gender-Exclusive Language as Ostracism“. Personality and Social Psychology Bulletin 37 (6): 757–69. https://doi.org/10.1177/0146167211406434.