Wie aus Fehlern Stärken werden

Nie­mand macht gerne Fehler. Dabei sind sie eine wich­tige Vor­aus­set­zung, um zu lernen und sich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. So gelingt dir der Umgang mit Rück­schlä­gen.

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von Helena Pabst, July 24, 2018
Stärken

Gastbeitrag von 7Mind.

„Irren ist mensch­lich“ – das sollte uns eigent­lich allen bewusst sein. Und doch trauen sich viele nicht, die eige­nen Fehler ein­zu­ge­ste­hen. Denn in einer Welt, die von der per­fek­ten Selbst­dar­stel­lung geprägt ist, wird es immer schwe­rer zuzu­ge­ben, dass man seine Mängel hat. Dass Dinge nicht gelin­gen. Dass man auch einmal rich­tig dane­ben greift. Anstatt zu akzep­tie­ren, dass Fehler ganz gewöhn­li­cher Teil des Mensch­seins sind, werden sie oft als per­sön­li­ches Ver­sa­gen emp­fun­den und vor dem Umfeld ver­tuscht. Im beruf­li­chen Kon­text herrscht erst recht der Anspruch, stets per­fekt zu funk­tio­nie­ren.

Dabei gibt es durch­aus Pro­jekte, die zeigen wollen, dass das Nicht-Per­fekte und das all­täg­li­che Schei­tern ganz gewöhn­li­cher Teil des Lebens sind. Ins­ta­gram-Chan­nel feiern häss­li­ches Essen statt per­fek­ter Food Pics. Star­tups retten ver­wach­se­nes Gemüse. Und in so genann­ten ​„Fuck-up Nights“ tref­fen sich in vielen Städ­ten Grün­der und Inter­es­sierte, um ihre Miss­er­folge zu teilen. Miss­er­folge, aus denen sie häufig viel gelernt und neue Ideen gene­riert haben. Denn tat­säch­lich zeigen Stu­dien, dass nur in einer offe­nen Feh­ler­kul­tur Inno­va­tion ent­steht. Und auch im Pri­va­ten tut es gut, Fehler offen zuzu­ge­ben – vor sich selbst und vor ande­ren. Wir haben Tipps gesam­melt, wie es gelingt, die Selbst­vor­würfe zum Schwei­gen zu brin­gen und Posi­ti­ves aus deinen Feh­lern zu ziehen.

Die Kosten nega­ti­ver Feh­ler­kul­tur

Gerade in Deutsch­land herrscht tra­di­tio­nell ein hoher Anspruch an Qua­li­tät und Per­fek­tion. In vielen Firmen werden Fehler über­haupt nicht gerne gese­hen. Statt­des­sen sollen Mit­ar­bei­ter bei immer höhe­rem Arbeits­tempo funk­tio­nie­ren und sind oft mit einer nega­ti­ven Feed­back­kul­tur kon­fron­tiert. Doch der Druck, durch­weg per­fekt zu funk­tio­nie­ren, führt nicht zur beim ein­zel­nen zu Anspan­nung und schlimms­ten­falls Burn-out, son­dern min­dert auch die Inno­va­ti­ons­kraft der gesam­ten Orga­ni­sa­tion, zeigen Stu­dien. Denn wer Angst vor den Vor­ge­setz­ten hat, geht keine Risi­ken ein und treibt keine neuen Ideen voran.

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In einer Unter­su­chung der Uni­ver­si­tät Wien betrach­te­ten die Auto­ren das gestie­gene Arbeits­tempo und den inter­nen Wett­be­werb in Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men und woll­ten ermit­teln, ob die Mit­ar­bei­ter den­noch Eigen­in­itia­tive zeigen. Ihr Ergeb­nis: Wer stän­dig nega­ti­ves Feed­back für seine Fehler erhält, schlägt sel­te­ner eigene Ideen vor. Statt­des­sen führt eine nega­tive Feh­ler­kul­tur zu Stress, Druck und Per­fek­tio­nis­mus. Denn Men­schen neigen dazu, Fehler vor allem bei sich selbst zu suchen, egal wie kom­plex die Umstände. ​„Wir suchen Fehler häufig im indi­vi­du­el­len, mensch­li­chen Ver­sa­gen, weil das für uns am ein­fachs­ten ist“, so Tabea Scheel, Psy­cho­lo­gin an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät Berlin und Co-Auto­rin der Wiener Studie. Dabei han­dele es sich in den meis­ten Fällen um Feh­ler­ver­ket­tun­gen, selten liege die Schuld bei einer Ein­zel­per­son.

Auch eine Studie der Cali­for­nia School of Pro­fes­sio­nal Psy­cho­logy zeigt die Aus­wir­kun­gen von nega­ti­ven Reak­tio­nen von Vor­ge­setz­ten auf ihre Mit­ar­bei­ter. Lässt eine Füh­rungs­kraft nach einem Fehler Wut, Frust oder Ärger auf die Mit­ar­bei­ter ein­pras­seln, sinkt in der Folge die Risi­ko­be­reit­schaft. Auch Krea­ti­vi­tät und Enga­ge­ment lassen nach, wodurch in der Folge wei­tere Fehler ent­ste­hen. 

Ohne Schei­tern keine Inno­va­tion

Doch es gibt auch Berei­che, in denen Rück­schläge anders gese­hen werden. Aus der Wis­sen­schaft sind ​„Fehler“, die sich als Ent­de­ckun­gen ent­pup­pen, nicht weg­zu­den­ken. Erst kürz­lich fand die spa­ni­sche For­sche­rin Fede­rica Ber­toc­chini durch Zufall eine plas­tik­fres­sende Rau­pen­art – nach­dem Motten ihre Bie­nen­stö­cke befal­len hatten und sie die Schäd­lings­lar­ven ent­nervt in einer Plas­tik­tüte ent­sor­gen wollte. Das lebens­ret­tende Peni­ci­lin wurde der Über­lie­fe­rung zufolge nur ent­deckt, weil Alex­an­der Fle­ming 1928 ver­se­hent­lich das Labor­fens­ter offen ließ und seine Bak­te­ri­en­kul­tu­ren von dem Peni­cil­lium-Schim­mel­pilz befal­len wurden. Auch im For­schungs­all­tag sind lange Ver­ket­tun­gen von Schei­tern ganz selbst­ver­ständ­lich – besser bekannt als Expe­ri­mente. ​„Wis­sen­schaft ist eigent­lich das Berufs­bild, das auf Schei­tern auf­baut“, fasst Mole­ku­lar­bio­loge Josef Pen­nin­ger in der F.A.Z. zusam­men. ​“Schei­tern ist Teil unse­res Lebens, aus dem man eine Gele­gen­heit machen muss.“ Ent­schei­dend sei aber zu ver­ste­hen, woran man geschei­tert ist, und auch daraus zu lernen.

Auch in der Unter­neh­mens­welt trifft man auf erfolg­rei­che Men­schen, die auf Rück­schläge zurück­bli­cken. Bevor Bill Gates der reichste Mann der Welt wurde, lief er mit seiner ersten Firma Traf-O-Data in die Pleite. Ihr Pro­dukt war ein Mikro­pro­zes­sor, der den ame­ri­ka­ni­schen Ver­kehr ana­ly­sie­ren sollte, doch die Demo-Ver­sion funk­tio­nierte nicht und kos­ten­lose Berichte der Bun­des­staa­ten mach­ten das Pro­dukt ganz über­flüs­sig. Doch Gates und sein Mit­grün­der lern­ten so das Pro­gram­mie­ren und grün­de­ten später gemein­sam eine kleine Soft­ware-Firma namens Micro­soft. Sein größ­ter Kon­kur­rent in spä­te­ren Jahren, Steve Jobs, wurde nach dem Schei­tern seines ersten Com­pu­ter-Pro­jekts ​„Lisa“ als Ange­stell­ter von Apple gefeu­ert. Einige Jahre später war Jobs mit seinem eige­nen Unter­neh­men so erfolg­reich gewor­den, dass er Apple auf­kaufte und so zum legen­dä­ren Firmen­chef wurde. Später bezeich­nete er den Raus­wurf bei Apple als ​„das Beste, was mir pas­sie­ren konnte. Die Schwere des Erfol­ges wurde durch die Leich­tig­keit, wieder ein Anfän­ger zu sein, ersetzt. Ich war weni­ger sicher und rutschte in einen der krea­tivs­ten Abschnitte in meinem Leben.“

Inzwi­schen gehört die per­sön­li­che ​„Phönix aus der Asche“-Geschichte im Sili­con Valley gera­dezu zum guten Ton. Kein Erfolgs­mensch, der nicht min­des­tens einmal schwer geschei­tert sein will. Selbst­ver­ständ­lich ist das oft von der Rea­li­tät weit ent­fernt. Die meis­ten Unter­neh­mer stam­men aus pri­vi­le­gier­ten Ver­hält­nis­sen und nicht aus jedem Schei­tern wird eine mär­chen­hafte Erfolgs­ge­schichte. Doch die Grund­hal­tung, Rück­schläge und Fehler als Anreiz für neue Ideen und per­sön­li­che Ent­wick­lung zu sehen, kann auch im nor­ma­len Leben inspi­rie­ren. Solange wir offen mit Feh­lern umge­hen und die rich­ti­gen Schlüsse daraus ziehen.

So gelingt dir der Umgang mit Feh­lern:

1. Lachen ist gesund
Der rich­tige Umgang mit Fehl­schlä­gen und Miss­ge­schi­cken hängt natür­lich von deren Schwere ab. Aber gerade wenn es um Klei­nig­kei­ten wie das ver­geigte Abend­es­sen oder den fal­schen Ein­kauf des Part­ners geht, hilft eine gute alte Wun­der­waffe: Humor. Also anstatt den Abend gleich ganz für geschei­tert zu erklä­ren, weil der Auf­lauf ange­brannt ist oder die Glüh­birne nicht passt, atme erst einmal tief durch, betrachte das ganze mit etwas Abstand und ver­su­che, die absurde Seite an der Situa­tion zu sehen. Es gibt sie ganz bestimmt, und ein herz­haf­tes Lachen kann die Anspan­nung schnell lösen. So fällt es auch leich­ter, gemein­sam eine Lösung zu finden, und ein netter Abend mit Pizza bei Ker­zen­schein ist sicher besser als Streit.
Auch im Job darf bei allem Anspruch an gute Arbeit Humor erlaubt sein, wenn etwas schief­geht. Eine posi­tive Atmo­sphäre trägt zu grö­ße­rer Offen­heit bei und hilft, den glei­chen Fehler in Zukunft gemein­sam zu ver­mei­den. Gerade als Füh­rungs­kraft scha­det es daher nicht, auch einmal mit einem Spaß den Druck her­aus­zu­neh­men – und trotz­dem gemein­sam die rich­ti­gen Lehren zu ziehen.

2. Trau dich, ehr­lich zu sein – auch zu dir selbst
Ob privat oder beruf­lich, aus Feh­lern können wir nur lernen, wenn wir sie auch ein­ge­ste­hen – min­des­tens vor uns selbst. Wahr­schein­lich hatte jeder von uns schon einmal das Gefühl, die Welt hätte sich gegen ihn ver­schwo­ren, dass ein­fach alles schief läuft, obwohl man selbst sich doch die größte Mühe gibt. Sind denn wirk­lich alle ande­ren schuld? Oder könnte es sein, dass man selbst doch etwas zur Situa­tion bei­trägt? Wäh­rend manche zu selbst­kri­tisch sind, suchen andere gerne nach Aus­re­den oder Schul­di­gen. Und es ist ein ganz natür­li­cher Reflex, das eigene Ego zu schüt­zen. Doch gemein­same Feh­ler­su­che und Wei­ter­ent­wick­lung wird dadurch nicht leich­ter.

Wenn du das nächste Mal Streit hast oder im Team etwas gründ­lich schief läuft, frag dich: Wel­chen Anteil habe ich daran? Die eigene Ver­ant­wor­tung ein­zu­ge­ste­hen hilft, die Situa­tion offen zu ana­ly­sie­ren, den Kon­flikt zu ent­schär­fen und gemein­sam eine Lösung zu finden. Eine ehr­lich gemeinte Ent­schul­di­gung bringt dich in vielen Fällen deut­lich weiter als Ver­drän­gung oder Gegen­an­griff. 

3. Nimm dir Zeit, deine Wunden zu lecken
Viele brüs­ten sich damit, echte ​„Steh­auf­männ­chen“ zu sein. Gerade unter Män­nern ist es ver­pönt, lange an Rück­schlä­gen zu knab­bern, der Druck zu funk­tio­nie­ren über­wiegt das Bedürf­nis, seine Wunden zu heilen. Dabei zeigen Stu­dien tat­säch­lich, dass Men­schen, die zu ​„Selbst­mit­leid“ neigen, besser in der Lage sind, Rück­schläge zu ver­kraf­ten. Denn sie nehmen sich die Zeit, die sie brau­chen, um eine Situa­tion zu ana­ly­sie­ren, zu reflek­tie­ren, dar­über zu spre­chen und sie zu ver­ar­bei­ten. Wer bei­spiels­weise mit einem ambi­tio­nier­ten Pro­jekt schei­tert, ist auch emo­tio­nal getrof­fen und braucht Zeit, um dar­über hin­weg­zu­kom­men. Von pri­va­ten Schlä­gen wie dem Schei­tern einer Bezie­hung ganz zu schwei­gen.

Wer sich emo­tio­nal und ana­ly­tisch die Zeit nimmt, die Situa­tion zu ver­ar­bei­ten, hat gute Chan­cen, daraus zu lernen. Bleibt statt­des­sen in dem Bestre­ben, schnell wei­ter­zu­ma­chen, nur das Schei­tern hängen und nicht die Lek­tion daraus, wird man für die Zukunft eher nega­tiv geprägt. Also mach dich frei von fal­schen Idea­len und nimm dir die Zeit, die du ganz per­sön­lich brauchst.

4. Hak es irgend­wann ab
Schwere Rück­schläge und Ver­let­zun­gen lassen sich nicht von einem Tag auf den ande­ren abha­ken. Doch irgend­wann muss das Gedan­ken­ka­rus­sell ein Ende haben. Wenn du merkst, dass ein Selbst­vor­wurf sich ver­selb­stän­digt hat, sag irgend­wann ​„Stopp“ oder such dir die Hilfe, die du brauchst, um damit umzu­ge­hen. Ab einem gewis­sen Punkt hilft es nicht mehr weiter, die glei­chen Gedan­ken immer und immer wieder im Kopf zu wälzen. Früher oder später muss man akzep­tie­ren, dass man etwas falsch gemacht hat und es auch nicht mehr ändern kann, son­dern nur daraus lernen.

Acht­sam­keits­trai­ning ist eine große Hilfe, um die eige­nen Gedan­ken in den Griff zu bekom­men und empa­thisch mit den eige­nen Feh­lern umzu­ge­hen. Die regel­mä­ßige Kon­zen­tra­tion und Besin­nung nach innen erleich­tert es, die Auf­merk­sam­keit zu steu­ern, Gedan­ken und Gefühle mit Abstand zu betrach­ten und sie zu akzep­tie­ren. So wird es leich­ter, zu reflek­tie­ren und offen auch mit den weni­ger per­fek­ten Seiten des Lebens umzu­ge­hen – sich selbst und ande­ren gegen­über.

Im Online-Magazin von 7Mind erscheinen wöchentlich neue Artikel und Impulse rund um die Themen Achtsamkeit und Meditation. Das Team liefert aktuelle Denkanstöße, gepaart mit wissenschaftlich fundierten Fakten zu Schwerpunkten wie Erfolg, Arbeit, Glück und Beziehungen.