Im Leben geht es nicht nur nach oben. Und das ist gut so!

Wie man Entscheidungen trifft, mit denen man glücklich ist.

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von Tina Röbel, December 2, 2020

Header: Jeffrey Blum via Unsplash.

Obwohl es eigentlich ein Luxus ist, sind zu viele Optionen für die meisten von uns oftmals ein Problem. Woran das liegt? Weil es gar nicht so leicht ist, zu wissen, was eigentlich das Richtige für uns ist. Welches Studium? Welcher Job? Einfach kündigen? Was soll als nächstes kommen? Die Ursache: Die einstig so einfache Lösungsstrategie des „höher, schneller, weiter“ ist für viele Menschen nicht mehr attraktiv. Für die meisten von uns ist das Leben keine Treppe nach oben zum nächsthöheren Gehalt. Und so wird es immer wichtiger zu lernen, wie man mit Übergängen, Umwegen und Neustarts im Lebenslauf umgeht. Auch, weil diese oft die Chance bieten, etwas Gutes zu tun. Tina Röbel erklärt euch, warum es deshalb wichtig ist, sein Bauchgefühl zu stärken. 

Die meisten von uns kennen diese Situationen: Du stehst plötzlich an einem Punkt in deinem Leben, von dem aus du mehrere Wege weiter gehen kannst. Manchmal fühlt es sich vielleicht auch nur so an, als wäre so ein Punkt gekommen. Typisch dafür sind zum Beispiel das Ende der Schule, das Ende des Studiums oder der Ausbildung oder auch das (gefühlte) Ende eines Jobs. Oft ist es eine innere Unruhe, die sagt „Etwas muss sich verändern“, weil man sich nicht wohl fühlt und dauernd unzufrieden ist. 

  • The Good News: An diesem Punkt hast Du nahezu unendlich viele verschiedene Möglichkeiten! Ist das nicht spannend? (Das fragt meine Mutter immer). Du kannst selbstbestimmt und frei entscheiden, was du machen möchtest.
  • The Bad News: Niemand wird dir deine Entscheidung abnehmen, denn niemand weiß, welcher Weg für dich der Richtige ist. Auf jeden Fall wird man dich an deiner Entscheidung messen. Geht es dir nun besser? Oder bist du immer noch unzufrieden? All das ist dein Verdienst, denn den Weg, den du nun gehst, hast du selber gewählt. Die Herausforderung: Woher weißt du, welcher Weg der Richtige ist?

Lass mich eines vorweg nehmen: Es ist nicht dein oder mein persönliches Versagen, dass es nicht einfach ist Entscheidungen zu treffen. Das Leben hat sich geändert, uns stehen viel mehr Möglichkeiten offen, und dadurch verändern sich auch Lebensläufe. Für die Generation unserer Eltern oder Großeltern ist das oft nicht richtig nachvollziehbar.

Scroll doch schon mal kurz nach unten und guck dir die beiden Bilder an. Auf welchem erkennst du dein Leben wieder?

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Früher war das Leben eine Treppe. Für ziemlich viele Leute ging es einfach immer Schritt für Schritt nach oben. Wirtschaft und Gesellschaft veränderten sich nur langsam und es war sogar möglich, sein gesamtes Berufsleben in einem Beruf und vielleicht sogar in einem Unternehmen zu verbringen. Wenn es Veränderung gab, ging es lediglich um die Frage, von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Auf dieser Logik beruhen auch Berufswahltests. Der Gedanke: Wenn Stärken und Vorlieben bekannt sind (A), dann kann man eine klare Empfehlung aussprechen und den nächsten Schritt gehen, um zu (B) zu gelangen. Die erste Ahnung, dass dieses System heute nicht mehr funktioniert, hatte ich nach meinem Abi. Beim Arbeitsamt habe ich einen Berufstest gemacht, meine Stärken angekreuzt und erhielt dann die Empfehlung Tankwart zu werden. Ich habe mich dann dagegen entschieden. Und etwas Interdisziplinäres studiert, da musste man sich nicht festlegen. 

Heute sehen die Lebensverläufe der meisten Leute eher so aus, wie auf dem nächsten Bild. 

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Statt immer geradezu die Treppe hoch, tasten wir uns langsam suchend durch unser Leben vorwärts. Wissen und Organisationen verändern sich wahnsinnig schnell, so dass es heute häufig Experten in Berufen gibt, die man bisher noch gar nicht lernen kann. SEO Experten z.B. gab es bevor es irgendwo dazu Ausbildungen gab. Unternehmen sind oft hochgradig spezialisiert und du kannst nie sicher sein, ob es das, was du gerade machst, auch in einer anderen Organisation gibt. 

In diesem Umfeld lassen sich persönliche Veränderungen mit den drei Fragezeichen beschreiben: 1) Wie nennt man das, was ich gerade mache? Keine Ahnung. 2) Was gibt es alles für Optionen für mich? Keine Ahnung. 3) Wie komme ich dahin? Keine Ahnung. Natürlich wäre es jetzt ganz wunderbar, wenn es jemanden gäbe, der die Lösung hat - so wie früher. Einfach ein paar Kreuze in einem Test machen und schon weiß du wieder, wie es weiter geht. So einfach ist es jedoch leider nicht. Die neue, komplexe Realität lässt sich nicht in Tests abbilden. Auch mit einer Pro & Contra-Tabelle stoßen wir an unsere Grenzen. Heute kommt es, mehr als je zuvor, auf etwas anderes an. Und das ist etwas, auf das du dich immer verlassen kannst. 

 

 

Dein Bauchgefühl

Ich weiß, das klingt nicht besonders spektakulär und vielleicht sogar eher unvernünftig für so wichtige Entscheidungen. Andererseits, zumindest diejenigen unter euch, die mal Online-Dating probiert haben, wissen: Kein Algorithmus macht so sichere Prognosen, wie das eigene Gefühl in den ersten paar Sekunden. Gleichzeitig lassen wir unser Bauchgefühl selten zu Wort kommen. Wir müssen erst lernen, ihm wieder zu vertrauen. Mal ehrlich: Wann hast du in den letzten Jahren mal wirklich deinen Bauch befragt?

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Reflexive Veränderung, so nennt man die Umbruchsituationen in unseren neuen Leben. Und Reflexion bedeutet nicht nur denken, sondern eben auch Bauchgefühl. Stimmt hier etwas nicht, ist es Zeit für eine Veränderung. Das heißt jedoch, dass du dein Bauchgefühl erkennen musst. Und das geht nur, wenn du dich selber gut kennst. Ein Persönlichkeitstest kann ein guter Einstieg sein, um über dich nachzudenken. Wirklich weiter kommst du nur, wenn du radikal ehrlich zu dir bist. Wenn du dir selbst gut zuhörst. Zum Beispiel in den Momenten, in denen es dir gut geht. Was genau bereitet dir Freude? Und auch die Momente in denen es dir schlecht geht gehören dazu., Was genau fehlt dir? Helfen kann es auch, wenn du anderen gut zuhörst. Was meint dein Partner wenn er sagt, er wünscht sich einen sinnvollen Job? Was bedeutet Sinn für sie oder ihn konkret?

" Je stärker wir uns wieder auf unser Bauchgefühl verlassen, umso eher werden wir auch Gutes tun."

Lebensverläufe heute sind anders. Es geht nicht einfach immer nur nach oben. Und das ist gut so. Je stärker wir uns wieder auf unser Bauchgefühl verlassen, umso eher werden wir auch Gutes tun. Wer ganz ehrlich in sich hinein hört, wird kaum den Herzenswunsch entdecken, dass sein Unternehmen nächstes Jahr 10% mehr Umsatz macht. Das erfüllt uns nicht. Außer natürlich du bist Social Entrepreneur. Ich glaube alle Menschen haben einen inneren Weltverbesserer. Wir wurden nur darauf trainiert ihn nicht zu hören, sondern unsere Entscheidungen zu quantifizieren. Gut, dass das nicht mehr klappt!

Was ist mein Fazit?

Das Leben ist ein Suchprozess. Warte nicht darauf, dass du die objektiv beste Lösung findest. Es gibt sie nicht. Am Ende musst du eine Entscheidung treffen mit der du glücklich bist. Mit der du Tag für Tag leben möchtest. Die wichtige Frage ist nicht, was die „beste“ Entscheidung ist. Die wichtige Frage ist: Was für ein Leben willst du leben? Was für ein Mensch willst du sein?

Mein Vorschlag: Sei mutig. Mach etwas, bei dem du voll dahinter stehst. Etwas, das dich erfüllt. Etwas, bei dem du dich voll und ganz einbringen kannst. Mit allem was du kannst und mit allem, was dir wichtig ist. Sei radikal ehrlich. Wie wichtig ist dir mehr Geld auf dem Konto? Das ist manchmal durchaus wichtig. Und wie wichtig ist dir, dass du etwas veränderst? 

Was würdest du in 2021 tun, wenn du wüsstest, dass du damit ganz sicher Erfolg haben wirst?

Und dann: Go for it! 

Über die Autorin:

tina-roebel

Tina Röbel ist Coach, Trainerin und Forscherin. Sie glaubt, dass gesellschaftlicher Wandel nur funktioniert, wenn wir den Mut finden, wir selbst zu sein. Mit ihrer Arbeit unterstützt Tina Menschen und Organisationen, die die Welt verbessern wollen. Im Einzelcoaching geht es dabei oft um gute Arbeit und gutes Zeit- und Selbstmanagement. Tina ist Berlinerin und lebt und arbeitet in Hamburg. Mehr zu Tina und ihrem Coachingansatz: www.tinaroebel.de

Quellen:

Denken in Übergängen: Weiterbildung in transitorischen Lebenslagen (Lernweltforschung). Herausgegeben von Heide von Felden, Ortfried Schäffter, Hildegard Schicke. Springer VS.

#OldieButGoldie ursprünglich erschienen: 04.01.2016